Foto: Manfred Ruckszio/OKAPIA

ver.di PUBLIK | Warum arbeitest du mit medizinischem Marihuana?

Ty Link | Weil ich nach meiner Backausbildung gebacken und gebacken habe, ohne dass es irgendwelche Jobs in der Stadt gegeben hätte. Dann begann 2009 hier die Medical-Marihuana-Industrie regelrecht zu explodieren. Zurzeit gibt es mehr Dispensaries als Starbucks-Filialen in Denver.

ver.di PUBLIK | Was sind Dispensaries?

Ty | Das sind die Verkaufsstellen für die Pflanzen, das Cannabis und Produkte wie meine Backwaren. Die Patienten mit chronischen Erkrankungen benötigen eine rote Karte vom Arzt, ein Attest. Damit können sie meine Kuchen und andere Haschisch-Produkte kaufen. Es gibt sogar einige entsprechende Restaurants in der Stadt, zum Beispiel eine Pizzeria. Eine Marihuana-Pizza kostet rund 99 Dollar, aber die sollte man nicht allein essen. Ich selbst bin eine Art Großhändlerin, ich backe überwiegend für die Dispensaries. Meine Firma heißt Vision of Love Baking.

ver.di PUBLIK | Bei welchen Krankheiten ist medizinisches Marihuana hilfreich?

Ty | Vor allem bei multipler Sklerose, bei Krebs, posttraumatischem Stress, Schizophrenie, selbst bei Autismus werden Erfolge erzielt. Ich habe einen MS-Patienten, den die Nerven quälen. 15 Minuten, nachdem er eines meiner Produkte gegessen hat, ist er entspannt. Er spricht, das Stottern ist weg, das Zucken ist weg. Es ist faszinierend, das zu beobachten.

ver.di PUBLIK | Und das darf jede Köchin einfach so verabreichen?

Ty | Nein, du brauchst eine Lizenz. Um die zu bekommen, musst du auf so ziemlich alle bürgerlichen Rechte verzichten. Du musst Fingerabdrücke abgeben, und dein ganzes bisheriges Leben wird streng überprüft. Außerdem zahlst du allein für die Bewerbung um die Lizenz 1750 Dollar. Damit kannst du dann zwar erstmal arbeiten, aber das können sie dir jeden Tag wieder verbieten. Es gibt bisher auch nur eine Person, die diese Lizenz hat.

ver.di PUBLIK | Wirst du regelmäßig von den Behörden überprüft?

Ty | Die Überprüfung erfolgt jedes Jahr. Du musst zu ausgiebigen Anhörungen gehen, du musst dein Marihuana wiegen, musst ihnen sagen, wo es herkommt, wo es angebaut wurde, ob du selbst anbaust und wie viel. Ich muss eine komplette Buchhaltung führen, ich hebe die Quittungen auf, ich muss alle möglichen Listen führen. Jetzt wollen sie die Gebühr auf 7500 Dollar erhöhen, und die Anzahl der Dispensaries von 500 auf 250 in Denver dezimieren, das wäre das Ende meines Geschäfts. Die Banken leihen der Marihuana-Industrie kein Geld, da ist es schwer, das Geld zusammenzubekommen. Und ich arbeite völlig unabhängig, ich backe allein, ich vertreibe alles allein, ich habe keine Angestellten.

ver.di PUBLIK | Warum hast du dich gerade aufs Backen spezialisiert?

Ty | Entweder du isst die Pflanze so, was nicht sehr lecker ist, oder du kochst mit Butter und Öl. Damit kannst du dann ein paar Dinge machen. Du kannst Shrimps oder Scampis mit Marihuana essen, aber bei Raviolis hört's dann auch bald wieder auf. Meine Produktpalette umfasst unter anderem den Gourmet-Schoko-Brownie, Reis-Krispies, Schokowalnusstorte. Die Patienten stehen drauf. Der Renner sind meine Blaubeermuffins für fünf Dollar das Stück.

INTERVIEW: Jenny Mansch

http://www.youtube.com/watch?v=j4OiuLXnn_c