von Gudrun Giese

Der Grund für meine Abwendung von Fleisch und Wurst war rosa und hieß Mäxchen. Er kam in unseren Haushalt, als ich fünf oder sechs Jahre alt war. Wie in den sechziger Jahren auf dem Land oft noch üblich, mästeten meine Eltern ein Ferkel binnen eines Jahres zum schlachtreifen Schwein. Ich fand das Schlachten ziemlich eklig. Ein paar Jahre später sah ich bei Großbauern in der Elbmarsch Hühner in Käfighaltung. Vier Legehennen in einem Käfig, ohne Stroh, sich gegenseitig die Federn ausrupfend. Bilder, die ich nicht loswurde.

Bald danach entschied ich mich, das mit dem Fleisch und den Eiern jetzt einfach zu lassen. Schwer fiel mir das nicht - zumal ich süße Sachen sowieso der tierischen Nahrung vorgezogen hatte. So wurde ich eine astreine Pudding-vegetarierin. Bekam ich anfangs noch Gemüsegerichte und Salat am elterlichen Mittagstisch, garniert mit sorgenvollen Anmerkungen zu meiner "Mangelernährung", schaffte ich mir bald mein eigenes kulinarisches Schlaraffenland: Mit Beginn des Studiums gab es für mich eine Diät, die in erster Linie aus Keksen, Kuchen und anderem Zuckerzeug bestand. Einmal in der Woche zollte ich dem Vegetarismus Tribut und verzehrte das Vollwertgericht in der Mensa, bestehend aus Sojabratling oder Tofuschnitzel.

Vegetarische Dosensuppen...

Zur dogmatischen Vegetarierin wurde ich so nicht, auch wenn ich immer häufiger etwas über ökologische Ernährung las, über die Ausbeutung der Böden durch intensiven Futtermittelanbau, Hormone in der Kälberzucht, Abholzung der Regenwälder. Die Argumente für den Verzicht auf Fleisch, Wurst, Fisch und Eier wurden mir so Stück für Stück nachgeliefert. Und ich merkte allmählich, dass ich mich dauerhaft nicht gut von Süßigkeiten ernähren konnte. Meine nächsten Schritte waren auch nicht gerade politisch korrekt: Zwar experimentierte ich hier und da mit selbstgebastelten Gemüsebratlingen, doch überwiegend bestand mein Übergang zu neuen Ernährungsgewohnheiten im Aufwärmen von Dosensuppen oder der Bereitung eines Nudelgerichts mit Fertigsauce.

Wenn das Gespräch mit Freunden beim Italiener aufs Essen kam, sagte ich nur: Ich esse kein Fleisch. Dass andere mir daraufhin erzählten, wie selten sie selbst Tierisches zu sich nähmen, wollte ich damit nicht provozieren. Doch es passierte regelmäßig und im Laufe der Zeit immer häufiger. Ernährung wurde zum Alltagsthema, das dazugehörige schlechte Gewissen wächst mit den Berichten über Panschereien und die Ausbeutung von Mensch und Tier bei der Lebensmittelerzeugung.

...und sinnliche Genüsse

Klar, Essen ist mehr als die Aufnahme von Nähr- und Vitalstoffen. Es gehört zu den sinnlichen Genüssen, das ist mehr als Sättigung. So bin ich vom Süßkram und Fertigfutter irgendwann weggekommen und tatsächlich beim Selberkochen gelandet, kaufe Gemüse und Obst der Saison von regionalen Anbietern, probiere immer wieder Neues, frische Kräuter und Gewürze. Am meisten Spaß macht das, wenn ich Fleisch essende Freunde bekoche, die das Gemüsemahl dann mögen.

Ich bin froh, wenn sie zu ihren Ernährungsgewohnheiten stehen wie ich zu meinen. Es ist nicht "schlimm", Fleisch zu essen. Schlimm ist es, 3,99 Euro für ein Kilo Gulasch beim Discounter auf den Tisch zu legen - und sich dann zu wundern, dass die Qualität des Fleisches nicht so doll ist und dass sich so gar nichts an den Erzeugungsbedingungen in der Landwirtschaft ändern will. Nein, Vegetarier sind nicht die besseren Menschen. Weniger Fleischkonsum bedeutet nicht gleich, dass Nahrung gerechter verteilt wird. Dafür müssen Vegetarier und Fleischesser etwas tun.