Text: JDBP

Im Februar beginnt mit dem Beschluss über die Höhe unserer Forderung die Tarifrunde 2012 für den öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen. Erwartet werden schwierige Verhandlungen, begleitet von betrieblichen Aktionen bis hin zum Streik. ver.di PUBLIK sprach mit Kolleg/innen.

Holger Bracht (50), Großkehrmaschinenfahrer bei der Stadtreinigung, seit 30 Jahren dabei.

Hamburg schläft noch, da bin ich mit Holger Bracht an einer Straßenkreuzung im Stadtteil Billstedt verabredet. Seine 15 Tonnen schwere Kehrmaschine hat er am Straßenrand kurz abgestellt, um über seine Erwartungen an die bevorstehende Tarifrunde im öffentlichen Dienst zu sprechen. Das Warnlicht der Maschine blinkt orange.

Holger ist seit 5.45 Uhr auf Achse. Für ihn ist das der normale Arbeitsbeginn. In der Tasche trägt er einen Pieper, über den er seit dem Kälteeinbruch Ende Januar rund um die Uhr erreichbar ist. "Das heißt: ständige Rufbereitschaft und sofortiges Ausrücken auch mitten in der Nacht, wenn der Wetterdienst Schnee oder Glatteis vorhersagt." Dann tauscht er sein Fahrzeug und sorgt mit seinen Kollegen dafür, dass Fußgänger und Autofahrer auf geräumten und gestreuten Straßen und Wegen sicher an ihr Ziel kommen. "Nach den Erfahrungen des Chaoswinters 2009/2010 hat uns die Stadt auch die öffentlichen Wege übertragen, die damals von den privaten Räumdiensten völlig vernachlässigt worden waren. Dafür wurden extra neue und kleinere Maschinen angeschafft. Hamburg kann sich darauf verlassen, dass sich ein solches Chaos nicht wiederholt!"

Holger Bracht vor seinem Fahrzeug

Wir sind bereit, Druck zu machen!

Holger ist bei Wind und Wetter und zu Zeiten draußen, wo andere sich im Bett noch einmal herumdrehen. Bei minus 20 genauso wie bei plus 40 Grad. Gefürchtet ist bei seinen Kollegen neben andauerndem Winterdienst in einem schnee- und eisreichen Winter die Laubsaison, wenn das Laub aufgenommen und weggebracht werden muss. Bei Regen verfestigt es sich zu einer kompakten und zähen Masse, die allein mit Muskelkraft zusammengeharkt und auf den Wagen geladen werden muss. "Da weiß ich nach Feierabend wirklich, was ich gemacht habe!" Holger räumt ein, dass er als Großmaschinenkehrfahrer, in der Entgeltgruppe 6 mit 2532 Euro noch ganz brauchbar bezahlt wird. Das gilt aber nicht für einen Anfänger als Straßenreiniger, der in der Entgeltgruppe 3/1 gerade mal 1762,19 Euro brutto erhält. Von der Tarifrunde erwartet er nach dem letzten Magerabschluss eine kräftige Erhöhung, umgesetzt in einem Festbetrag, der zwischen 100 und 150 Euro liegen muss, damit auch die Kolleg/innen in den unteren Entgeltgruppen etwas davon haben. "Alles ist in Hamburg teurer geworden - Mieten, Heizkosten, Benzin, nur unsere Löhne haben nicht mitgehalten. Als ver.di-Vertrauensmann weiß ich aus den Gesprächen mit meinen Kollegen und Kolleginnen, dass sie den notwendigen Druck machen werden, damit ein entsprechender Abschluss herauskommt!"


Wiebke Lübbert (46), seit 22 Jahren Erzieherin bei der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten

Wiebkes Kita liegt idyllisch in einem Parkgelände am Rande des Stadtparks. Im Einzugsgebiet wohnen überwiegend gut verdienende Eltern. Um die etwa 100 Kinder im Alter zwischen knapp einem und zwölf Jahren kümmern sich zehn pädagogische Voll- und Teilzeitkräfte. Drei Mitarbeiterinnen in der Küche sorgen dafür, dass die Kinder warme Mahlzeiten bekommen.

Wiebke betreut zusammen mit zwei Kolleginnen die 19 Krippenkinder im Alter bis zu drei Jahren. Ihr Arbeitstag beginnt gegen acht Uhr und endet am späteren Nachmittag. Das gemeinsame Frühstück gegen 8.30 Uhr, der Morgenkreis gegen 9.10 Uhr, das Mittagessen gegen 11.30 Uhr, die Mittagsruhe ab 12.15 Uhr und der Nachmittagsimbiss um 14.30 Uhr strukturieren den Tagesablauf in der Gruppe. Dazwischen machen die drei Erzieherinnen den Kindern Spiel- und Bastelangebote: Es wird mit Fingerfarben gemalt; Berührungs- und Massagespiele fördern das Spüren und Fühlen sowie die sinnliche Erfahrung von heiß und kalt, hart und weich und einiges mehr. In der gut ausgestatteten Lernwerkstatt wird die Feinmotorik entwickelt. Im Rahmen der musikalischen Früherziehung kommt das Orffsche Instrumentarium zum Einsatz. "Die musikalische Früherziehung ist mein persönlicher Schwerpunkt. Daneben liebe ich es, mit den Kindern auf Forschungs- und Entdeckungsreisen zu gehen. Was sie herausfinden, wenn man ihnen ein Schloss und einen Schlüssel zur freien Untersuchung gibt, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue."

Wiebke Lübbert in der Kita

Der Auftrag zur frühkindlichen Bildung steht im Zentrum aller Aktivitäten. Die Angebote werden auf jedes Kind abgestimmt. Grundlage dafür ist die genaue analytische Beobachtung der Stärken und Schwächen sowie der Entwicklungsfortschritte der Kinder. Um auf der Höhe der Zeit beim Wissen über die frühkindliche Entwicklung zu bleiben, besuchen die Erzieherinnen möglichst einmal im Jahr eine Fortbildung, die von der Vereinigung angeboten wird. "Wir haben eine hohe Verantwortung in einer Gesellschaft, in der Bildung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Eltern haben Teile der Erziehung ihrer Kinder an uns abgegeben. Wir entlasten sie als ,familienergänzende Institution ́, damit sie Kind und Beruf besser unter einen Hut bringen können. Sie erwarten von uns zu Recht, dass wir ihre Kinder bestmöglich fördern!"

Wir entlasten die Eltern, damit sie Job und Kind besser unter einen Hut bringen können.

An ihrem Beruf schätzt Wiebke, dass er abwechslungsreich und lebendig ist. Jeden Tag passiert etwas Neues und Überraschendes. Es begeistert sie, wie die Kinder solidarisch zusammenleben und voneinander lernen. Es ärgert sie, dass in den letzten Jahren Personal abgebaut und die pädagogischen Stunden zusammengestrichen wurden. "Wir sind bei der personellen Ausstattung absolut am Limit. Die Belastung ist für jede deutlich angestiegen, krankheitsbedingte Ausfälle können kaum aufgefangen werden!"

Schmerzlich vermisst die Erzieherin die gesellschaftliche Anerkennung für ihre Arbeit, was sich für sie auch in der Bezahlung niederschlägt. Sie erhält nach über 20 Berufsjahren für ihre qualifizierte und anspruchsvolle Tätigkeit ein Entgelt von 2906 Euro brutto. Der Tarifabschluss muss für sie deutlich über der Preissteigerungsrate von zuletzt 2,3 Prozent liegen. "Daneben habe ich noch einen anderen Wunsch: Die Rente mit 67 ist ja leider Gesetz geworden. Bei uns kann sich niemand vorstellen, mit über 65 noch auf den winzigen Kinderstühlchen zu sitzen oder mit den Kleinsten über den Boden zu robben. Die Tarifvertragsparteien müssen dringend neue, kreative Lösungen für den Übergang in die Rente entwickeln, die nicht zu den gravierenden Gehalts- und/oder Renteneinbußen führen wie die bestehenden Angebote."

Schwerpunkt Seite 3

Reportage Seiten 12+13