Vorne bei der Lohndiskriminierung, hinten bei der Frauenförderung - eine traurige Bilanz Deutschlands zum Equal-Pay-Day

Langsam verliert EU-Kommissarin Viviane Reding die Geduld. Mehrfach hat sie in den vergangenen Jahren die europäischen Unternehmen aufgefordert, mehr Frauen in die Führungsetagen zu bringen. Da die Unternehmen dieser Aufforderung immer noch nicht nachgekommen sind, kündigte die EU-Kommissarin Anfang März an, im Sommer konkrete Vorschläge für eine EU-weite Regelung zu machen.

In Deutschland gibt es nur eine freiwillige Vereinbarung, vor rund zehn Jahren vereinbart zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und Vertreter/innen der Industrie. Erfolgreich ist sie bis heute nicht: In Deutschland stagniert der Anteil von Frauen in Führungspositionen. In den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen liegt er aktuell unverändert bei drei Prozent. "Hier herrscht eine männliche Monokultur", sagt Elke Holst, Wissenschaftlerin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Damit bildet Deutschland gemeinsam mit Tschechien und den Niederlanden das Schlusslicht in Europa, sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Den höchsten Anteil in Führungspositionen haben Frauen in Norwegen mit rund 40 Prozent. Dort wurde 2006 eine Frauenquote eingeführt. Auch in anderen Ländern gibt es mittlerweile gesetzliche Regelungen.

Vorne hingegen liegt Deutschland weiterhin bei der Lohndiskriminierung von Frauen. In einem Vollzeitjob mit mittlerem Einkommen verdienten Frauen nach OECD-Angaben durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als Männer. In keinem anderen europäischen Land sei das Lohngefälle demnach größer. Spitzenwerte erreicht auch in diesem Vergleich Norwegen, hier liegt die Differenz bei 8,7 Prozent. Das Statistische Bundesamt bezifferte den Einkommensunterschied in Deutschland mit 23 Prozent sogar noch höher. Als Grund für die berufliche Benachteiligung von Frauen nannte die OECD die schlecht ausgebaute Kinderbetreuung in Deutschland.

Seltener Weihnachtsgeld

Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Frauen in Deutschland nicht nur beim Gehalt im Nachteil sind. Sie erhalten nicht so oft Weihnachts- und Urlaubsgeld, auch von Gewinnbeteiligungen profitieren sie seltener als Männer. Das hat eine Auswertung der Website www.frauenlohnspiegel.de, die vom Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der HBS betreut wird, ergeben.

Nur 21 Prozent von ihnen sind in ihrem Betrieb schon einmal befördert worden, von den Männern 31 Prozent. In tarifgebundenen Betrieben verdienen Frauen im Schnitt 23,7 Prozent mehr als in nichttarifgebundenen. Allerdings arbeiten nur 46 Prozent der Frauen in Betrieben, in denen Tarifverträge gelten, bei Männern sind es 54 Prozent. "Leider gilt nach wie vor: Zum Teil werden Frauen schlechter bezahlt, weil sie Frauen sind", sagt Reinhard Bispinck, Leiter des Tarifarchivs.

Am 23. März findet in Deutschland der Equal-Pay-Day statt. Dieser Tag markiert die Zeit, die Frauen über den Jahreswechsel hinaus länger arbeiten müssen, um auf das durchschnittliche Jahresgehalt eines Mannes zu kommen. Auch ver.di beteiligt sich in diesem Jahr wieder bundesweit an Aktionen anlässlich dieses Tages. Unter anderem ruft die Gewerkschaft gemeinsam mit dem DGB und dem Deutschen Frauenrat zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor auf. hla

http://frauen.verdi.de/themen/equal-pay-day-2012

E-Mails für mehr Entgeltgleichheit

Aktion | Um der Forderung nach Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern Nachdruck zu verleihen, haben die Frauen- und Gleichstellungspolitikerinnen von ver.di am Internationalen Frauentag eine E-Mail-Aktion gestartet. Sie soll bis zum 23. März laufen, dem Equal-Pay-Day. Wer das Ziel der Entgeltgleichheit unterstützt, ist aufgefordert, jetzt eine E-Mail an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu schicken und die Aktion zu verbreiten. Ziel ist, der Bundesregierung zu zeigen, "dass wir sie nicht aus der Verantwortung für die Durchsetzung von Entgeltgleichheit in Deutschland entlassen".Informationen und Text der E-Mail unter http://frauen.verdi.de/themen/aktion