Ob mit dem Auto oder per Fahrrad: Das Zustellen der Tageszeitungen ist harte, verantwortungsvolle Arbeit. Am Kfz.: ZVZ-Betriebsrat Manfred Koller

von Bernd Mann

MÜNCHEN | Die 53 Zustellerinnen und Zusteller der ZVZ Zentrum GmbH in München verdienen zu viel und tragen zu schlecht aus. Das meinte jedenfalls die SZ Logistik GmbH, eine 100-Prozent-Tochter der Süddeutschen Zeitung GmbH und kündigte den bestehenden Zustellauftrag mit der ZVZ zum 29. Februar 2012. Der Zustellauftrag wurde an die ZV München City GmbH (ZVMC) übertragen. Wer das Angebot der Weiterbeschäftigung zu wesentlich schlechteren Vertragsbedingungen bei der ZVMC abgelehnt hat - und das waren mehr als 40 Kolleginnen und Kollegen -, dem soll jetzt gekündigt werden.

Der moralische Niedergang einer Zeitung

Was sich da offenbart, ist der moralische Niedergang einer hoch angesehenen Tageszeitung. Der Verweis auf die angeblich so unzuverlässige Zustellung ist eine reine Schutzbehauptung. Vielmehr geht es darum, einen lästigen Betriebsrat und eine streikwillige Belegschaft loszuwerden, um freie Bahn für drastisches Lohndumping zu haben.

Die Zeitungszustellung für alle Münchner sowie viele überregionale Zeitungen wird in München von zehn Zeitungsvertriebsfirmen ("ZV") abgewickelt. Die SZ Logistik ist jeweils der einzige Auftraggeber; eine Sperrminorität hält die Süddeutsche Zeitung GmbH, Mehrheitsgesellschafter ist jeweils die H&A Structured Finance GmbH, eine 100-Prozent-Tochter der Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA.

Gleichwohl bestreiten die Verlagsvertreter einen Betriebsübergang nach § 613a BGB, der die Arbeitnehmer vor Nachteilen geschützt hätte. Kein Wunder, denn die drastische Absenkung der Zustellvergütungen ist erklärtes Ziel des Verlags. Das war mit dem Betriebsrat und den meisten Beschäftigten der ZVZ nicht zu machen. Der Betriebsrat rief gegen die neue Lohnstruktur, die zu Einbußen von rund 30 Prozent führen würde, die Einigungsstelle an. Zudem erhob er nach einer de-facto-Lohnpause von 18 Jahren (!) die Forderung nach einem Haustarifvertrag. Günstig für die Arbeitgeber, dass sich mit dem Konstrukt der Zustellgesellschaften auf einfache Weise der Auftrag entziehen lässt.

Ihre Behauptungen jedoch konnte die Arbeitgeberseite in den ersten Gesprächen zum Interessenausgleich nicht belegen. Weder gibt es eine signifikante Fehlerquote der ZVZ, noch konnte der Geschäftsführer darlegen, welchen Lohnverzicht die Beschäftigten als Preis für die angebliche "Wettbewerbsfähigkeit" hätten leisten müssen. Der paradoxen Situation, dass der Verlag händeringend neue Zusteller sucht, begegnete er mit einer Imagekampagne durch eine Werbeagentur. Ohne durchschlagenden Erfolg freilich. Gleichzeitig sollen über 40 meist langjährige Zustellerinnen und Zusteller, die weiterhin Lohnanspruch haben, gekündigt werden. Noch fehlt dazu der Interessenausgleich.

Ausbaden müssen diese Situation bereits über Wochen hinweg die Abonnent/innen nicht nur der Süddeutschen Zeitung, sondern auch anderen Münchner Blätter und einer Vielzahl weiterer Zeitungen vor allem in der Innenstadt und in den Stadtvierteln Giesing und Harlaching. Die angekündigte neue "Zustellphilosophie" führte in ein grandioses Zustellchaos. Bisherige Folge: Die Kosten für die Abwicklung der ZVZ laufen völlig aus dem Ruder, Zeitungs-Abbestellungen häufen sich, und der Imageschaden für das Zeitungshaus ist enorm.