Ausgabe 03/2012
Viele rutschen sofort in Hartz IV
BERNHARD JIRKU ist Leiter des Bereichs Arbeitsmarkpolitik beim ver.di-Bundesvorstand
Frühjahr 2002? Hartz-Kommission! Seitdem sind zehn Jahre mit Verarmung, flexiblen Arbeitsmärkten, prekärer Arbeit, neoliberaler Gewinnmaximierung und abenteuerlichen Börsenspekulationen vergangen. Zehn Jahre mit Zuwächsen bei befristeter Beschäftigung, Leiharbeit, Mini-Jobs, Scheinselbstständigkeit mit Werk- und Dienstverträgen. Prekäre Beschäftigung ist auf dem Vormarsch, reguläre Vollzeitarbeit auf dem Rückzug. Versprochen war die Halbierung der Arbeitslosigkeit. Halbiert wurde lediglich die Arbeitslosenversicherung. Sie greift immer weniger, Hartz IV dagegen immer schneller. Nur knapp 30 Prozent aller Arbeitslosen erhalten überhaupt noch normales Arbeitslosengeld (auch Alg I genannt). Die meisten sind heutzutage gleich auf Arbeitslosengeld II (Alg II alias Hartz IV) angewiesen.
Dabei wird die Arbeitslosenversicherung angesichts der wachsenden Schnelllebigkeit der flexiblen Arbeitsmärkte dringender gebraucht denn je. Seit dem Krisenjahr 2008 ist die Zahl derjenigen, die im Laufe eines Jahres neu arbeitslos werden, nicht gesunken, sondern gestiegen: von 621.000 im Jahre 2008 auf 737.000 im vorigen Jahr - ein Plus von mehr als 18 Prozent. Und trotz guter Konjunktur waren 2011 immer noch 2,8 Millionen Menschen arbeitslos. In 740.000 Fällen waren die Betroffenen 2011 oder in den Vorjahren sofort in Hartz IV gerutscht. Sie hatten noch nicht lange genug arbeiten können, um überhaupt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben, oder ihr Alg I war so niedrig, dass sie gleich ins Hartz-IV-System weitergereicht wurden. So mussten in der Leiharbeit nahezu 50 Prozent der Beschäftigten gleich zum Job-Center gehen.
Was schlagen DGB und ver.di jetzt vor? Im Kleingedruckten müssen die Rahmenfristen ausgeweitet werden! Die sogenannten Anwartschaftszeiten sind so eng gefasst, dass viele einzahlen, aber nichts erhalten, wenn ihr Projekt ausgelaufen ist oder die Leiharbeit zu Ende ist.