Ausgabe 06/2012
Es geht nicht nur ums Geld
Von Birgit Tragsdorf
2. August in Berlin: Kolleg/innen von S-Direkt schlagen Krach beim Ostdeutschen Sparkassenverband
Menschen haben ein Recht auf Arbeit, bei der sie Wertschätzung und Respekt erfahren und die angemessen bezahlt wird. Sie haben ein Recht darauf, ihre Arbeitsbedingungen mitzugestalten. Natürlich steht die Bezahlung bei den Beschäftigten vorne an; sie wollen von ihrer Arbeit leben können. Doch die Tarifauseinandersetzungen und Konflikte mit Arbeitgebern im Landesbezirk zeigen, dass es nicht nur um Geld und einen sicheren Arbeitsplatz geht, sondern auch um gute Arbeit.
Bei Netto auf Abruf
Zurzeit stehen bei dieser Frage Discounter wie Netto im Blickfeld. Gewerkschaftssekretär Thomas Schneider sagt: "Trotz der Tarifbindung und der Wahl von Betriebsräten erleben die meisten Beschäftigten bei Netto Unfairness und Druck von den Filialleitern." Die Vollzeitstelle ist ein Auslaufmodell, Teilzeitjobs bis 20 Stunden dominieren, über 40 Prozent derer, die bei Netto arbeiten, sind geringfügig beschäftigt. Und ständig wird Druck ausgeübt: Die Mitarbeiter/innen sollen ihre Stundenzahl verringern. Gesagt wird "Flexibilität", gemeint ist Arbeit auf Abruf: Man wird kurzfristig informiert, wann man gebraucht wird und wann nicht. Eine kontinuierliche Planung ist nicht drin, Familienfreundlichkeit sieht anders aus.
Außerdem wird an der Stundenabrechnung manipuliert. Die Filialleiter bekommen eine bestimmte Stundenzahl für ihren Markt, die ist jedoch niedriger als die Zahl der Stunden, in denen gearbeitet wird. Nicht nur die Abrechnung stimmt dadurch nicht mehr, es kommt zu Arbeitsverdichtung und unbezahlter Arbeitszeit. Der Kostendruck wird auf die Belegschaft abgewälzt.
Seit zwei Jahren motiviert ver.di die Beschäftigten im Landesbezirk verstärkt, mehr um ihre Rechte zu kämpfen. Mitgliederversammlungen, Stammtische und spontane Treffen ermöglichen es den Kolleg/innen, ihre Probleme zu diskutieren und zu erörtern, wie sie etwas ändern können. Die Zahl der ver.di-Betriebsräte ist gestiegen. Immer öfter setzen Beschäftigte ihre Rechte durch. Verstöße gegen Gesetze, Tarifverträge und die Regeln des respektvollen Umgangs erfordern Gegenwehr.
Bei Amazon und S-Direkt
Am Amazon-Standort in Leipzig und bei der S-Direkt Marketing GmbH, dem Call-Center der Sparkassen in Halle, werden die Konflikte seit einiger Zeit öffentlich gemacht, um die Arbeitgeber zu Veränderungen zu zwingen. Bei Amazon konnten Lohnsteigerungen von 11 Prozent durchgesetzt werden, doch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Abschaffung des überzogenen Abmahnsystems stehen noch aus. Das wollen die Kollegen und ver.di mit tariflichen Regelungen durchsetzen.
Seit Anfang des Jahres laufen bei S-Direkt die Bemühungen um einen Haustarif. Mehr als 92 Prozent der Kolleg/innen hatten das Geplänkel der Geschäftsführer schließlich satt und entschieden sich im August in einer Urabstimmung für den unbefristeten Streik. "Es geht neben der Forderung von 8,50 Euro Stundenlohn und seine schnelle Erhöhung auf neun Euro vor allem um den Respekt vor der Leistung der Belegschaft und den menschenwürdigen Umgang mit ihr", sagt Fachbereichsleiter Stefan Wittmann. Von guter Arbeit sind sie bei S-Direkt weit entfernt. Die Eingruppierungen sind nicht korrekt, die Arbeitsplätze zu eng und zu laut. Die Beschäftigten kritisieren schlechte Dienstpläne, befristete Verträge und den hohen Druck seitens der Vorgesetzten.
ver.di und der DGB führen jährlich Befragungen über die Arbeit in den verschiedenen Branchen durch. Der ver.di- Landesbezirk nimmt das in seine tarifpolitische Arbeit auf.
ver.di-Forderungen:
Nachhaltiger Umgang mit dem menschlichen Arbeitsvermögen - bis zum Ende des Arbeitslebens. Die Gesundheit steht an erster Stelle. Ein gesundes Maß für die Arbeit, Begrenzung der Arbeitszeit und des Leistungsdrucks. Respekt, Anerkennung und das Recht auf Mitwirkung und Mitbestimmung. Alternsgerechte Arbeitsbedingungen und eine neue Form der Altersteilzeit, die den schrittweisen Ausstieg aus dem Erwerbsleben ermöglicht. Eindämmung sogenannter prekärer, also unsicherer und schlecht bezahlter Beschäftigung.
In tarifpolitischen Projekten geht es um Regelungen zu Lohngerechtigkeit, Beschäftigungssicherung, Weiterbildung, flexiblen Altersübergängen, zum Belastungsausgleich und zu differenzierter Arbeitszeitverkürzung, etwa für Nacht-, Schicht- und Wechselschichtarbeiter/innen.