"Neckermann macht‘s möglich" hieß der Slogan für den einst so großen Versandhändler. Heute muss man stattdessen fragen: "Was ist für Neckermann noch möglich?" Seit Mitte Juli steht das Unternehmen unter vorläufiger Insolvenzverwaltung.

"Der Investor Sun Capital war nicht bereit, den zwischen Geschäftsleitung und ver.di ausgehandelten Sanierungsplan inklusive Sozialtarifvertrag zu finanzieren", sagt Wolfgang Thurner vom ver.di-Fachbereich Handel in Hessen. Klar war, dass das Versandgeschäft noch intensiver als bisher vom Katalog aufs Internet verlagert werden sollte. Mit dem Scheitern der vorliegenden Pläne blieb der Neckermann-Spitze nur noch der Weg in die Insolvenz. Im vorläufigen Insolvenzverfahren laufen die Geschäfte zwar weiter, doch auf abnehmendem Niveau, da es derzeit keine Nachbestellungen mehr gibt.

"Die Stimmung in den Belegschaften hat sich im Vergleich zum Frühsommer sogar beruhigt; sie schwankt jetzt zwischen Resignation und leichter Hoffnung." So beschreibt Harald Bock, Betriebsratsmitglied bei Neckermann.de, die Situation der Kolleg/innen. Es soll einige Interessenten für die Übernahme von Neckermann geben, über die Verhandlungen mit der vorläufigen Insolvenzverwaltung wird Stillschweigen gewahrt. Zum 1. Oktober soll das Insolvenzverfahren eröffnet werden.

"Bis dahin halten wir Ruhe", sagt Wolfgang Thurner, er ist sich darin mit den Betriebsräten einig. Gewerkschaft und Arbeitnehmervertretungen sind in den Gläubigerausschüssen vertreten, die das Insolvenzverfahren mit vorbereiten. Vorläufige Insolvenzverwalter sind die Rechtsanwälte Michael Frege (für Neckermann.de) und Joachim Kühne (für Neckermann-Logistik).

Ein Investor muss her

Sollte sich ein finanzkräftiger Investor finden, der mehr Interesse an der Fortführung von Neckermann hat als Sun Capital, könnte das Unternehmen besser dastehen als vor der Insolvenz. Denn der Einstieg von Sun Capital im Jahr 2008 hat den traditionsreichen Versandhändler nicht vorangebracht. Wolfgang Thurner: "Die nötigen Investitionen in Anlagen und Technik sind ausgeblieben. Dem Investor ging es allein um kurzfristigen Profit." Da der Profit Sun Capital aber nicht zufriedenstellte, sollte das Unternehmen knapp 1400 von 2400 Stellen in Deutschland abbauen - ohne Sozialplan und damit ohne Abfindungen für die teilweise seit Jahrzehnten bei Neckermann Beschäftigten. Nachdem die Belegschaften gemeinsam mit Betriebsräten und ver.di durch Streiks und andere Aktionen Druck auf die Geschäftsleitung ausgeübt hatten, schien die sozialverträgliche Sanierung möglich zu werden - bis Sun Capital das Verfahren torpedierte und damit zum letzten Mal sein Desinteresse an Beschäftigten und Mitbestimmungsrechten bewies.

Gudrun Giese