Die Reise nach Berlin: Hunderte Kinobeschäftigte protestierten am Potsdamer Platz

"Die Stimmung war eisig", sagte ver.di-Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling, nachdem sie den Streikaufruf am 25. August bei der Geschäftsleitung des CinemaxX-Kinos am Potsdamer Platz in Berlin übergeben hatte. Vor der Tür standen da bereits einige hundert Beschäftigte der beiden großen Kinoketten CinemaxX und CineStar, die aus der ganzen Republik angereist waren, um für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.

Außer den Protestierenden hatte sich auch das Führungspersonal versammelt. Fleißig filmten Führungskräfte mit Handys, wer sich vor dem CinemaxX mit Streikweste und Transparent eingefunden hatte. Das über Megafon von ver.di-Sekretär Frank Schreckenberg unterbreitete Angebot, zu den eigenen Beschäftigten zu sprechen, nahmen sie aber nicht an.

Nachdem der Streikaufruf übergeben war, erklärte die Geschäftsleitung die Stammbelegschaft für ausgesperrt. Im Haus waren da schon Streikbrecher im Einsatz. Bereits am Vortag war am Potsdamer Platz gestreikt worden; die Beschäftigten, die jetzt wieder arbeiten wollten, durften nicht ins Gebäude.

Popcornmaschine im Streik

"Sonst darf man nicht mal ein Getränk von draußen mit ins Kino hineinnehmen", berichtete Burghard Mannhöfer, der an diesem Tag drei Vorstellungen im CinemaxX nacheinander besucht hat. Er sah mehrere Kinobesucher, die Kartons einer großen Bäckereikette mitbrachten und so vorgesorgt hatten. Im Kino würde es ja möglicherweise nichts zum Knabbern geben. Offensichtlich klappte auch beim Konkurrenten CineStar vielerorts der Streikbruch nicht reibungslos. Weil die Servicekräfte streikten, auch der sogenannte "Popper", der die Popcornmaschine bedient, wurde Popcorn sogar per Taxi von Hagen nach Dortmund transportiert. Was nicht nur teuer war, sondern auch nicht ausreichte - ein herber Verlust, denn die Kinobetreiber verdienen viel Geld mit dem Verkauf von Süßem und Getränken.

Stundenlöhne von 6,30 Euro

Das heißt nicht, dass die Unternehmen für den Verkauf anständig bezahlen. Bei CineStar erhalten die Servicekräfte Stundenlöhne von 6,30 Euro, nach zwei Jahren steigt der Lohn um rund 50 Cent. ver.di will unter anderem einen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro durchsetzen. Bei CinemaxX werden acht bis 8,55 Euro gezahlt. Dort fordern die Beschäftigten eine Erhöhung der Stundenlöhne um einen Euro ab sofort und weitere zehn Prozent im nächsten Jahr.

Dass die Arbeitgeber sich stur stellen, scheint kein finanzielles Problem zu sein: Streikbrechern werden schon mal 14 Euro und mehr pro Stunde gezahlt. Auch die Branchenzahlen der Filmförderungsanstalt FFA sind positiv: Die Zahl der verkauften Kinokarten stieg im ersten Halbjahr 2012 auf 62,2 Millionen. Das ist ein Plus von 744.000 Karten gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz kletterte in den ersten sechs Monaten auf 461,7 Millionen Euro von 452,3 Millionen Euro im Vorjahr.

Bundesweit haben sich bisher 1500 Beschäftigte der beiden Ketten an den Streiks beteiligt. "Wir streiken seit Ende November, mal stundenweise, mal ganze Tage", berichtet Guido Michael, der im CineStar Osnabrück arbeitet. Bei CineStar existiert kein gültiger Tarifvertrag. Da das Unternehmen in verschiedene Gesellschaften aufgesplittet ist, die jeweils mehrere Filmtheater betreiben, hat ver.di über Haustarifverträge verhandelt. Die Arbeitgeber lehnten ab. Stattdessen gingen sie dazu über, Betriebsräten rechtswidrig Entgelterhöhungen für die Belegschaften anzubieten - was jedoch nur Gewerkschaften aushandeln dürfen.

Kein leichtes Spiel

Bei CinemaxX hat ver.di über einen neuen Firmentarifvertrag verhandelt, die geltenden Verträge waren Ende 2011 ausgelaufen. Die Verhandlungen sind gescheitert, die Arbeitgeber hatten nur 25 Cent mehr Stundenlohn für dieses Jahr und für 2013 bis 2015 jeweils 1,75 Prozent mehr angeboten. Die Filmvorführer sollten nichts bekommen. Die zynische Begründung: Die Leute würden künftig sowieso nicht mehr gebraucht, da die Kinos digitalisiert werden.

Interessant ist auch, wie es mit der Aktiengesellschaft CinemaxX weitergeht: Der Großaktionär Herbert G. Kloiber will seine Anteile für 147 Millionen Euro an den britischen Kinobetreiber Vue Entertainment verkaufen. Von der britischen Partnergewerkschaft BECTU hat ver.di erfahren, dass Vue in Großbritannien extrem gewerkschaftsfeindlich agiert und Tarifverträge mit der Gewerkschaft ablehnt. "Wir sagen vorsichtshalber schon mal welcome", rief der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke auf der Protestkundgebung. "Leichtes Spiel werdet Ihr mit uns nicht haben."

Held der Arbeit Seite 16

Die beiden Großen

CinemaxX ist der zweitgrößte Multiplex-Kinobetreiber in Deutschland. Für die rund 1700 Beschäftigten der 31 Multiplex-Kinos der Kette fordert ver.di einen Firmentarifvertrag. Die Stundenlöhne sollen um einen Euro ab 1. Januar rückwirkend und um weitere zehn Prozent ab 1. Januar kommenden Jahres erhöht werden. Außerdem sollen die Beschäftigten ein 13. Monatsgehalt und 31 Tage Urlaub bekommen. Die Verhandlungen sind gescheitert.

Der Marktführer CineStar hat zwischen 3500 und 4000 Beschäftigte und betreibt 62 Multiplex-Kinos. Der Konzern setzt sich aus verschiedenen Gesellschaften zusammen, die jeweils mehrere Filmtheater betreiben. Hier hat ver.di für einige Gesellschaften über Haustarifverträge verhandelt. Es ist nicht zu einem Abschluss gekommen, weil der Arbeitgeber das schließlich komplett abgelehnt hat.