"Sparsamkeit ist nur ein verharmlosender Ausdruck für den nicht enden wollenden Klassenkampf gegen unsere Leute". Das war der Satz, mit dem John McInally, der stellvertretende Präsident der britischen Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS, seine Rede auf dem Kongress des Gewerkschaftsbundes TUC in Brighton einleitete. Die PCS ist mit den Auswirkungen der Sparprogramme der britischen Regierung direkt und auf verschiedene Weise konfrontiert. Da sind einmal die 270.000 Jobs, die im öffentlichen Sektor innerhalb eines Jahres bis zum 31. März 2012 gestrichen wurden. Andererseits bekommen PCS-Mitglieder die Auswirkungen der Sparpakete auf die sogenannten Klienten der Job-Center direkt zu spüren. Denn PCS-Mitglieder arbeiten oft als Berater in Job-Centern oder sitzen in den Call-Centern verschiedenster staatlicher Telefondienste, die hier Helplines heißen. In deren Räume wurde selbst das Aufhängen eines Posters der Gewerkschaft PCS verboten, auf dem es um die steigende Zahl von selbstmordgefährdeten Anrufern geht. Auch die Zunahme solcher Anrufe wertet die PCS als Ergebnis der Sparpolitik.

PCS organisiert auch Beschäftigte beim IT-Konzern ATOS. Der Konzern ist für die Umsetzung eines Regierungsprogramms zuständig, mit dem Menschen, die wegen einer Behinderung arbeitsunfähig geschrieben sind, "wieder dem Arbeitsmarkt zugeführt" werden sollen. Das Programm ist Teil der im Land heftig umstrittenen sogenannten Workfare-Maßnahmen.

Wieder auf dem Arbeitsmarkt

Workfare wurde bereits unter der Labour-Regierung eingeführt, und die jetzige Regierung weitet die Maßnahmen massiv aus. So stehen die ATOS-Beschäftigten unter dem Druck, sieben von acht ihrer Klienten wieder arbeitsfähig zu schreiben. Das sind zum einen alle, die bisher Sozialhilfe aufgrund von Arbeitsunfähigkeit erhalten haben: Opfer von Arbeitsunfällen, psychisch Kranke und Körperbehinderte. Sie müssen sich einer von ATOS-Beschäftigten durchgeführten Untersuchung unterziehen. Das ATOS-Testverfahren ist systematisch gegen die Klienten angelegt. So beschrieben Fernsehdokumentationen von BBC und Channel 4 Fälle von Menschen, denen die Arbeitsunfähigkeit verweigert wurde, weil sie noch einen Arm bewegen oder den Joystick eines Rollstuhles mit einem Finger bedienen konnten.

Das ATOS-Personal ist zwar medizinisch geschult, es muss sich aber nach Richtlinien aus dem Sozialministerium richten. Die haben das Ziel, so vielen Menschen wie möglich die Arbeitsunfähigkeit zu entziehen. Damit verlieren die Betroffenen dann zum Beispiel das Recht auf Behindertenbeihilfen. Stattdessen werden sie als arbeitssuchend gemeldet, haben also nur noch Anrecht auf die sehr niedrige britische Arbeitslosenhilfe.

Seit dieses System 2009 eingeführt wurde, legen rund 176.000 Betroffene pro Jahr gegen solche Entscheidungen Widerspruch ein. Bis zu 80 Prozent von ihnen bekommen vor Gericht Recht.

Gewerkschaft fordert zum Generalstreik auf

Die Gewerkschaft PCS hat bei ATOS zurzeit 1600 Mitglieder, darunter 400 Beschäftigte, die die umstrittenen Testverfahren durchführen müssen. Im August drohte die Gewerkschaft mit Streiks, um Mindestlöhne bei ATOS durchzusetzen, und hatte Erfolg. Der Konzern zahlt nun einen Minimallohn von 8,20 Pfund (10,20 Euro) pro Stunde in London und 7,20 Pfund (8,96 Euro) in den anderen Regionen des Landes.

Doch die Gewerkschaft beschränkt sich nicht auf den Kampf um mehr Lohn. So stellte PCS-Generalsekretär Mark Servotka die grundsätzliche Opposition der Gewerkschaft zu der Politik, von der der ATOS-Konzern profitiert, unmissverständlich klar: ATOS profitiere, indem der Konzern der Regierung hilft, bei den Beihilfen für Behinderte und kranke Menschen Milliardenbeträge einzusparen. "Wir lehnen diese Politik ab und unterstützen alle, die dagegen kämpfen. Gleichzeitig treten wir für bessere Arbeitsbedingungen für die ATOS-Beschäftigten ein." So beteiligte sich die Gewerkschaft an Aktionstagen von Behindertengruppen gegen den ATOS-Konzern und die Workfare-Politik der Regierung.

Workfare bedeutet auch, dass viele Erwerbslose in Großbritannien derzeit in unbezahlte Arbeit gedrängt werden. Die Regierung hat dazu einen unübersichtlichen Wust neuer Maßnahmen eingeführt. Und die Beschäftigten, die diese Maßnahmen umsetzen müssen, verdienen dabei so wenig, dass sie auf staatliche Beihilfen angewiesen sind.

Nicht zuletzt deshalb fordert die PCS zum Generalstreik gegen die extremen Sparmaßnahmen der Regierung auf. Und sie will damit auch eine gemeinsame Front aufbauen: aus Erwerbslosen und Menschen, die Arbeit haben. Bei John McInally klingt das so: "Wie oft muss es noch gesagt werden: Kämpfen erzielt Ergebnisse. Millionen Menschen warten auf ein Signal, um zu kämpfen. Lasst uns dieses Signal geben!"

Christian Bunke