Bündnis UmFAIRteilen

In mehr als 40 Städten vom Allgäu bis zur Nordsee gingen rund 40.000 Menschen Ende September auf die Straße, um ihre Wut über Sozialabbau und Ungerechtigkeit zu zeigen. Sie folgten dem Aufruf des Bündnisses "UmFAIRteilen - Reichtum besteuern"

Ein bisschen Reichtum UmFAIRteilen: Geldsäcke in Hamburg, große Scheine in Bankfurt am Main

Pralle Säcke mit Euro-Zeichen drauf stapeln sich vor der Commerzbank am Hamburger Jungfernstieg. Menschen bilden eine Kette. Die zieht sich schließlich in einer Länge von zweieinhalb Kilometern rund um die Innenstadt und legt so auch das Rathaus an die Kette.

Um halb eins hebt ein Teilnehmer in roter ver.di-Jacke den ersten Geldsack auf und reicht ihn seinem Nebenmann. "Die Reichen sollen sich an den Lasten der Krise beteiligen", dröhnt es aus einem Lautsprecher. Die Demonstrant/innen skandieren "um-FAIR-teilen". Das gleiche Bild sieht man vor der Börse, der Deutschen Bank und den Versicherungen: Von Hand zu Hand wandern die Säcke in Richtung Rathaus. In der Kette stehen Robin Hoods in grünen Westen neben Occupy-Masken, schilderschwenkenden Kindern und Älteren, dazwischen Menschen im Rollstuhl. 7000 Teilnehmer/innen sind es am 29. September, dem bundesweiten Aktionstag, allein in Hamburg.

Auch Deniz ist am Jungfernstieg dabei. Wie viele von der ver.di Jugend ist er im weißen Overall erschienen. "Gerade die Jungen sind von den geplanten Kürzungen betroffen. Unsere Rente wird später kaum zum Leben reichen", sagt der 33-jährige Volontär einer PR-Agentur, der vor zwei Jahren sein Studium abgeschlossen hat. "Wir werden gedrängt, privat vorzusorgen. Aber dafür reicht das Einkommen doch oft gar nicht aus."

Man sieht auch viele Menschen mit Migrationshintergrund bei den Aktionen. "Migrantinnen und Migranten sind von der ungerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, von Hartz IV, Leiharbeit und prekärer Beschäftigung betroffen", sagt Özay Yildiz, der Hamburger Generalsekretär der Föderation demokratischer Arbeitervereine DIDF. Ein paar Meter weiter steht Georg in der Menschenkette, neben ihm Christina im Rollstuhl. Der Betreuer einer Behinderteneinrichtung ist mit drei Bewohnern zur Demo gekommen. "Die Finanzkrise beunruhigt mich sehr", sagt der Endvierziger. Er will "nicht erst dann etwas tun, wenn es zu spät ist, wenn alles kaputt gespart ist."

Das Bündnis wächst schnell

"Die Zeit ist reif", sagt auch Jutta Sundermann von Attac, eine Mitbegründerin des Bündnisses, das erst wenige Monate alt ist. "Es ist offensichtlich, dass sich die Ungleichverteilung verschärft hat." Im Frühjahr dieses Jahres haben sich die Globalisierungskritiker von Attac, das Online-Netzwerk Campact und die "Naturfreunde" erstmals mit der Initiative "Vermögenssteuer jetzt" getroffen, in der auch ver.di aktiv ist. Es war nicht schwer, die Sozialverbände wie den Paritätischen Wohlfahrtsverband, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, Migrantenverbände oder Jugend- und Studierendenorganisationen für das Bündnis zu gewinnen. Und das wächst weiter. "Das Spektrum ist wunderbar breit, auf Bundes- wie Landesebene", sagt Annette Sawatzki von Campact. "Hier arbeiten auch Atheisten mit kirchlichen Trägern zusammen, was manchmal gar nicht so einfach ist." Konsens ist, dass der Zusammenschluss überparteilich bleibt. In vielen Städten haben Die Linke, Grüne und SPD das Bündnis aber dennoch unterstützt und sich den Protesten angeschlossen.

In Frankfurt am Main fordert Frank Bsirske, der ver.di-Vorsitzende, am Aktionstag vor 5000 Menschen, dass die "Reichen und Superreichen" stärker bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise herangezogen werden. "Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die davon profitiert haben, jetzt auch ihren Beitrag leisten", ruft Bsirske. Die Steuerzahler hätten die Rettungsschirme bezahlt und damit die Vermögen der Reichen überhaupt erst gesichert.

Auch der Pott kocht

In Bochum, wo der Druck durch Arbeitslosigkeit deutlich zu spüren ist, folgen 6000 Menschen unter dem Motto "Der Pott kocht - Ich bin dabei" dem Aufruf. Gudrun Müller, ver.di-Geschäftsführerin im Bezirk Bochum-Herne und Sprecherin vom Bochumer Bündnis für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, bewertet den Aktionstag als großen Erfolg: "Es ist uns gelungen, Menschen zu motivieren, für Umverteilung zu demonstrieren, die sich sonst kaum politisch engagieren."

"Das Bündnis reicht weit in die Bevölkerung hinein", stellt auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, auf der Abschlusskundgebung in Köln vor knapp 4000 Demonstranten fest. Hier sind die Wohlfahrtsverbände nicht zu übersehen: Vor der Bühne lauschen Menschen in Rollstühlen. Gebärdendolmetscher übersetzen die Reden für Gehörlose. "Viele Menschen aus allen politischen Lagern sind unserer Ansicht", sagt Schneider. Fest stehe, dass die Themen Umverteilung und soziale Gerechtigkeit im Wahlkampf 2013 eine wichtige Rolle spielen werden. "Wir werden der Stachel im Fleisch einer jeden Partei sein, die diesen Problemen ausweichen will."

Das war erst der Anfang

Angesichts der Debatten über Altersarmut in Politik und Talk-Shows hatten einige Initiatoren auf eine noch höhere Beteiligung gehofft. Jutta Sundermann von Attac spricht jedoch von einem guten Anfang. "Wir müssen unbedingt erreichen, die Diskussion in die Wohnzimmer und auf noch mehr Straßen und Plätze zu tragen." Auch der Druck auf die politischen Parteien soll weiter erhöht werden. ver.di und Attac haben für Mai nächsten Jahres einen internationalen Kongress zum Thema Umverteilen initiiert. Geplant sind außerdem eine große Unterschriftenaktion und die Mobilisierung von noch mehr Menschen im Vorfeld der Bundestagswahl im kommenden Jahr.

Am Ende der Hamburger Kundgebung türmen sich auf dem Rathausmarkt die Geldsäcke. Kinder baden im Geld, Eltern fotografieren. Dann übergibt Roman Denker von ver.di Hamburg das Geld an Mitarbeiter/innen von kleinen Einrichtungen aus dem sozialen Bereich, die für das Gemeinwohl stehen. "Die Besteuerung von großem Reichtum wird uns endlich die nötigen Investitionen fürs Gemeinwohl ermöglichen", ruft er.

Bündnis umFAIRteilen - Reichtum besteuern

Dem erst im Sommer gebildeten Bündnis "umFAIRteilen - Reichtum besteuern" gehören 300 Organisationen an. Es fordert die einmalige Vermögensabgabe für Millionäre, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und das konsequente Vorgehen gegen Steuerflucht, um Reiche stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. Die Abgabe ist nach einem von ver.di und der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebenen Gutachten des Rechtswissenschaftlers Joachim Wieland verfassungskonform. Der Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht sieht in der Finanzkrise und der angestrebten Senkung des Schuldenstandes, dessen Anstieg Folge der Bankenrettung ist, "eine hinreichende Begründung für die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe". Politik Seite 11