Zeitgeist - wohin?

Gregor Gysi (re.) und Tiny Hobbs

Der Wilhelm-Leuschner-Saal im Frankfurter Gewerkschaftshaus war mit über 150 Vertrauensleuten des Fachbereichs Postdienste, Speditionen, Logistik proppenvoll. Eingeladen hatte der Bezirk Frankfurt und Region, gekommen waren sie aus ganz Hessen. Denn Ende September referierte der Bundestagsabgeordnete der Linken, Gregor Gysi, über öffentliche Daseinsvorsorge. Beide Seiten hatten wohl noch ein wenig Scheu voreinander, man begegnete sich zunächst reserviert. Im Laufe der Veranstaltung lockerten sich aber die Haltungen.

Immer gegen den Strom

Denn Gysi äußerte sich zu einem Kernthema der Gewerkschaften: öffentliche Daseinsvorsorge. Energieversorgung, Wasserversorgung, Bildung, Wissenschaft und Kultur beschrieb er als Aufgaben des öffentlichen Lebens, als soziale Grundrechte. Wie sie ausgestattet sind, dürfe sich nicht nach dem jeweiligen Budget richten. Wer hätte gedacht, dass man sich einmal Helmut Kohls Zeiten zurückwünschen könnte, zumindest den damaligen Spitzensteuersatz von 53 Prozent? Und außerdem sei es nur fair, dass über eine Vermögensabgabe diejenigen, die die Krise verursachten, herangezogen würden. Auch das Alter soll menschenwürdig sein. Das Rentenniveau muss so hoch sein, dass es langjährigen Beitragszahler/innen einen auskömmlichen Lebensstandard sichert. Bis 67 arbeiten zu müssen, das ist zu lang, in Ost und West.

In der Diskussion war man sich einig. Aber wie dahin kommen? Die Gewerkschaften hatten den Aktionstag am 29. September. Reicht das aus? Etwas ironisch merkte Gysi an: In Deutschland werde alles "generalstabsmäßig" geplant, um eine Großkundgebung durchzuführen. Dennoch, mit den genannten Forderungen schwimmt man zurzeit gegen den starken Strom. Der Zeitgeist, schlussfolgerte Gysi, müsse sich ändern. Dies sei durchaus möglich, wenn man die Geschichte der Bundesrepublik überblickt. Was schien nicht alles unmöglich, das heute selbstverständlich ist. Nur dranbleiben am Thema muss man.

reb