Ausgabe 01/2013
Ein alter Traum wird wahr
HENRIK MÜlLER ist Redakteur bei ver.di PUBLIK
"Ein Unternehmer darf mit seinem Betrieb machen, was er will - nur nicht anzünden", pflegte Horst Wisotzki senior zu antworten, der Betriebsratsvorsitzende der Hagener Zeitungsdruckerei der Westfalenpost, wenn aus dem Betrieb der Aufschrei kam: "Das können die doch mit uns nicht machen!" Sie konnten und können es eben doch. Sie können Betriebe gründen, ausquetschen, verkaufen, liquidieren, pleite gehen lassen - ganz nach Belieben. Und so können die Eigentümer eines Zeitungsverlags eben auch eine Zeitung drucken lassen, die überhaupt keine Redaktion hat. Für die die Inhalte einfach von außen eingekauft werden - und sei es bei der Konkurrenz. So läuft es seit Monatsbeginn bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund. Redaktionelle Inhalte? Sind doch völlig nebensächlich. Die Leser/innen? Von denen hofft man, dass sie den Schwindel erst gar nicht bemerken. Pressevielfalt? Haben wir doch!
Davon haben Leute wie Günther Grotkamp immer geträumt: eine profitable Zeitung ganz ohne redaktionelles Personal. Grotkamp, heute Rentner in ehelicher Beziehung zu Mehrheitseigentümerin Petra Grotkamp, zählte als allmächtiger Lenker des WAZ-Konzerns in den 1970er Jahren den eingangs erwähnten Betriebsratsvorsitzenden Horst Wisotzki zu seinen hartnäckigsten Widersachern auf Belegschaftsseite. Ihn und weitere widerspenstige Kollegen konnte er sich nur durch die komplette Schließung der Hagener Zeitungsdruckerei mit ihren 300 Beschäftigten vom Hals schaffen.
Gebessert hat sich in den verflossenen 40 Jahren also nichts an den Zuständen in den Medienbetrieben - im Gegenteil. Und es wird sich auch nichts zum Besseren wenden, so lange die Verfügungsgewalt ihrer Eigentümer nicht eingeschränkt wird: zum Beispiel durch die Abschaffung des Tendenzschutz-Paragrafen, der die Rechte des Betriebsrats einschränkt, zum Beispiel durch die Sicherung der Inneren Pressefreiheit, also verbürgter Mitbestimmungsrechte der Redaktionen. Und durch die Schaffung von echter publizistischer Konkurrenz in Gestalt öffentlich-rechtlicher Zeitungen.