Eine Dauerschleife: die Diskussion um den arbeitsfreien Sonntag

Der arbeitsfreie Sonntag ist ein kulturelles und vor allem auch ein arbeitsrechtliches Gut. An diesem Tag folgt die Gesellschaft gemeinsam einem anderen Rhythmus als sonst - sie atmet durch, die knapp bemessene Zeit ist frei bestimmt. So will es das Grundgesetz, und so will es ver.di. Natürlich ist auch sonntags das Krankenhaus in Betrieb, natürlich wird ein Brand auch an diesem Tag gelöscht, natürlich erscheint auch am Montag eine aktuelle Zeitung. Aber das sollen die Ausnahmen bleiben.

Hyperflexibler Einsatz

Der Einzelhandel will jedoch verstärkt den Sonntag beanspruchen. Und so mehren sich die Vorstöße, am Sonntag die Läden zu öffnen. Im südhessischen Weiterstadt war für Anfang Januar ein "Winter-Shopping" geplant; das "Bündnis für den freien Sonntag" versuchte, dies zu verhindern. In ihm haben sich schon seit November 2010 der DGB, ver.di und kirchliche Organisationen zusammengeschlossen, um den arbeitsfreien Sonntag zu erhalten. ver.di Hessen hatte daher in Vertretung des Bündnisses einen Eilantrag an das Verwaltungsgericht Darmstadt gestellt, der allerdings nach "summarischer Prüfung" abgelehnt wurde. In Weiterstadt mussten die Beschäftigten zur Arbeit erscheinen. Es gab eine Protestkundgebung von gewerkschaftlich und religiös Motivierten.

Wer bestimmt über die Zeit?

Anders in Sulzbach. Dort sagte die Bürgermeisterin den ebenfalls Anfang Januar geplanten verkaufsoffenen Sonntag im Main-Taunus-Zentrum ab, weil noch weitere Verfahren anhängig sind. Wichtig ist für Horst Gobrecht, Gewerkschaftssekretär in Südhessen, dass in der Region eine umfassende Diskussion begonnen hat, wie mit dem bisher freien Tag umgegangen wird. Und ver.di Hessen nimmt das Thema als landesweiten Schwerpunkt auf. Denn es geht um mehr als nur den einen Sonntag. Die Beschäftigten des Einzelhandels sollen noch stärker an die Interessen der Unternehmen durch dauerhafte Verfügbarkeit und hyperflexiblen Einsatz gebunden werden - eine "Rund-um-die-Uhr-Arbeitsgesellschaft", bei niedrigen Löhnen.

Eine der Grundlagen für die erneuten Vorstöße des Einzelhandels ist das hessische Ladenschlussgesetz. Die hessische CDU-Landesregierung hatte es vor Jahren liberalisiert. Werktags dürfen die Geschäfte rund um die Uhr geöffnet sein. An Sonntagen vier Mal im Jahr. Messen oder Basare können hinzukommen. Dennoch: Selbst diese arbeitgeberfreundliche Regierung wollte "den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung" schützen. Horst Gobrecht stellt fest: Die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit sei ein zentraler Konflikt der Gewerkschaften mit den Arbeitgebern. Seit Jahren werde versucht, die Arbeitszeiten zu verlängern. Der Zugriff auf den Sonntag spiele dabei eine wichtige Rolle. Ist erst im Einzelhandel der Durchbruch geschafft, wird sich das auch auf andere Bereiche auswirken. "Dagegen muss man sich eben weiterhin, nicht nur sonntags und nicht nur seelisch, erheben."