Ausgabe 01/2013
Sparen predigen, Schulden machen
WERNER RÜGEMER ist freier Publizist und Buchautor
Wenn etwas gründlich gescheitert ist, dann ist es das Modell namens Öffentlich-Private Partnerschaft, ÖPP. Vom Finanzzentrum London abgeguckt, 2003 in Deutschland übernommen, inzwischen in etwa 200 Projekten in Kommunen, Bundesländern und im Bund umgesetzt - das Modell zieht eine breite Spur des Scheiterns durch die ganze Republik: Beim Lkw-Mautsystem auf den Autobahnen (Toll Collect) läuft die Bundesregierung seit Jahren einem Minus von 7 Milliarden Euro hinterher. Bei der Elbphilharmonie in Hamburg haben sich die Kosten vervierfacht. Bei den Bädern in Leimen, Cottbus, Flensburg und Bensberg sind die Investoren baden gegangen. Das World Conference Center in Bonn (WCCB) vergammelt halbfertig seit Jahren teuer vor sich hin. Und das ist nur eine kleine Auswahl.
Auch die Projekte, die bisher scheinbar "normal" verlaufen, sind teurer als bei einer traditionellen Erledigung. Das haben der Bundesrechnungshof für die Autobahn-Projekte des Bundes und die Landesrechnungshöfe gemeinsam für Landes- und Kommunalprojekte nachgewiesen, zum Beispiel für die Gefängnisse in Burg (Sachsen-Anhalt) und Hünfeld (Hessen). Dieses Scheitern liegt nicht daran, dass hier unerfahrene Anfänger zugange sind. Die Top-Liga der Investoren und Berater ist beteiligt: Daimler und Deutsche Telekom, die Baukonzerne Bilfinger und Hochtief, die Staranwälte von Freshfields. Das Scheitern hat System: Verträge mit 30 Jahren Laufzeit, die für Abgeordnete und Stadträte geheim und unkontrollierbar sind. Das Risiko ganz auf der öffentlichen Seite. Zusätzlicher Kontrollverlust durch Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung. Typische Transaktions-Mehrkosten für lange Vertragsverhandlungen, für eine Heerschar privater Berater und für Bankprovisionen.
Bürger haben zahlreiche Initiativen gegen ÖPP gegründet. Sie haben sich kundig gemacht und verstehen oft wesentlich mehr von der Materie als die verantwortlichen Politiker. So wurden immer mehr geplante ÖPP-Projekte öffentlich zerpflückt und schließlich verhindert wie zuletzt das irrsinnige Projekt mit 170 Brücken und Straßenabschnitten in Frankfurt/Main. Kritik kommt von Linken und Gewerkschaften, aber auch aus der mittelständischen Wirtschaft und von Architekten. Auch in den Parteien SPD und Grüne, die unter Kanzler Gerhard Schröder das Modell nach Deutschland geholt haben, bahnt sich Distanz an. Die neue SPD/Grüne-Landesregierung von Niedersachsen will das geplante Projekt auf der Autobahn A7 stoppen.
Trotz des flächendeckenden Scheiterns hält die Bundesregierung fundamentalistisch an ÖPP fest. Das Verkehrsministerium unter Peter Ramsauer, CSU, spielt hier mit einem Dutzend Autobahn-Projekten den Vorreiter. Gleichzeitig forciert die Bundesregierung die "Schuldenbremse". Im Bundeshaushalt und in den Länder- und Kommunalhaushalten wird gekürzt und weiter gekürzt. Damit schafft die Regierung Merkel die Voraussetzung dafür, dass scheinbar nur noch ÖPP hilft, um die öffentliche Infrastruktur einigermaßen in Schuss zu halten. Aber ÖPP ist auch ein Instrument, um die Schuldenbremse zu umgehen: Die auf Jahrzehnte angelegten Zahlungsverpflichtungen an die Investoren sind in Wirklichkeit eine verdeckte Kreditaufnahme, tauchen aber in der Schuldenstatistik nicht auf. Denn die Zahlungen tragen ja den Namen "Miete" oder "Entgelt aus der Lkw-Maut". Gerade die Parteien, die lauthals die "Haushaltsehrlichkeit" und die Schuldenreduzierung beschwören, erhöhen im Dienst ihrer Investoren-Klientel mithilfe von ÖPP hintenherum die öffentlichen Schulden.
Schulen, Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Jugendzentren, Museen, Theater, Straßen, Brücken, Kanalisationsnetze, Klärwerke und Leitungssysteme sind in schlechtem Zustand oder fehlen ganz. Die öffentliche Infrastruktur muss repariert und erneuert werden, das ist unstrittig. Sie wird seit den 80er Jahren kaputtgespart. Der Investitionsstau beträgt laut Deutschem Institut für Urbanistik (Difu) mindestens 700 Milliarden Euro allein in den Kommunen. Die finanzielle Lösung liegt nicht im Modell ÖPP, sondern in einem öffentlichen Strukturfonds. Er muss aus den Null- oder Ein-Prozent-Anleihen gespeist werden, die die Europäische Zentralbank vergeben kann. Das Geld muss ohne Umwege in die Projekte fließen. Das hätte auch den Effekt, dass hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen werden können. Und der öffentliche Dienst muss ausgebaut und qualifiziert werden, damit er mit der Privatwirtschaft auf Augenhöhe kostensparend verhandeln kann.
"Gerade die Parteien, die lauthals die Schuldenreduzierung beschwören, erhöhen im Dienst ihrer Investoren-Klientel mithilfe von ÖPP hintenherum die öffentlichen Schulden"