Geringverdiener im Juni 2011 Vor allem in der Landeshauptstadt Hannover, aber auch in den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Goslar im Harz ist die Gefahr, trotz Arbeit zu verarmen, besonders groß.

Arbeitslosigkeit, unsichere Beschäftigung, Minijob, Leiharbeit: Armut hat viele Gesichter. "Unter Schwarz-Gelb in Bund und Land hat sich die soziale Spaltung deutlich verschärft", sagt ver.di-Landesleiter Detlef Ahting. Auch in Niedersachsen sind immer mehr Menschen von Armut betroffen. Die Gefahr von Altersarmut steigt bei Frauen dramatisch.

"Armut wird gemessen an der Ungleichverteilung von Einkommen." So erläuterte Lothar Eichhorn vom Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie bei einer Tagung des ver.di-Landesvorstands die Entwicklung der Armutsquote in Niedersachsen. Als gefährdet gelten Menschen, die nur über 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens und darunter verfügen - derzeit sind das 839 Euro im Monat. 2011 haben immerhin gut 1,2 Millionen Niedersachsen (15,2 Prozent) diese Armutsschwelle überschritten.

Auch Kinder tragen zum Armutsrisiko bei

Eichhorn zufolge zeigt sich Armut "völlig heterogen". Dabei sind an erster Stelle Erwerbslose (56,7 Prozent) zu nennen. Aber auch Kinder tragen zum "Armutsrisiko" bei. Betroffen sind vor allem Alleinerziehende (44,2 Prozent), kinderreiche Familien (26,8 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche selbst (20,1 Prozent). Extrem gefährdet sind Haushalte von Geringqualifizierten (38,5 Prozent), Migranten (28,9 Prozent) und Ausländern (35,5 Prozent). 55 Prozent der Geringverdiener waren 2011 Frauen (im Bund: 53,8) - in der Region Weser-Ems sogar über 60 Prozent.Deutlich abzulesen in der Statistik sei zudem der hohe Anteil schlecht qualifizierter junger Menschen. Zur Struktur relativer Armut gehört für Eichhorn aber auch die Altersarmut. "Lange war sie kein Problem, aber sie wächst rasch an. Bei den Frauen über 65 Jahren liegt sie bei 16,2, bei Männern bei 11,5 Prozent", so der Statistiker.

Ganz arm dran: Hannover und andere Großstädte

Auffällig sei die Anhäufung von Armutsproblemen in Großstädten. Beispiel Hannover: Bereits 2010 hatte die Landeshauptstadt mit 19,6 Prozent die höchste Armutsgefährdungsquote in Niedersachsen. Über dem Landesdurchschnitt von 14,5 lag außerdem die Quote in Nordost-Niedersachsen, Süd-Niedersachsen, im Leine-Weser-Bergland und in den ostniedersächsischen Städten.

Kaum besser die Zahlen geringfügig Beschäftigter: 2011 hatten in Niedersachsen 514 804 Menschen (Bund: 4,9 Millionen) nur einen Minijob. Gemessen an der Gesamtbevölkerung waren das 6,5 Prozent, bezogen auf die Erwerbsfähigen von 15 bis unter 65 Jahren sogar 10 Prozent. Da der Lohn unter dem Existenzminimum lag, waren 2,6 Prozent der Beschäftigten zusätzlich auf Grundsicherung (SGB II) angewiesen. Gegenüber 2007 ist die Zahl dieser "Aufstocker" um 10,8 Prozent angestiegen.

Gleich geblieben ist mit 7,3 Prozent dagegen der Anteil der Reichen, die mehr als 200 Prozent über dem Durchschnittseinkommen liegen. Eichhorn: "Die Superreichen sind in keiner statistischen Erfassung abgebildet - Reichtum ist ein scheues Reh." Ahtings Fazit aus den besorgniserregenden Daten: "Es ist mehr denn je die Aufgabe der Gewerkschaften, in der Gesellschaft für höhere Löhne und für gerechte Einkommensverhältnisse zu sorgen."