von Silke Leuckfeld

Liz Mohn geht um in Itzehoe. Proteste einer ganzen Stadt gegen die Schließung von Prinovis

Im Sommer 2014 soll der Druckstandort Itzehoe geschlossen werden. Rund 700 Prinovis-Beschäftigte und mehrere Hundert Leiharbeitnehmer/innen und Beschäftigte von Werkvertragsunternehmen verlieren dann ihren Arbeitsplatz. Die Druckerei ist in Itzehoe und Umgebung ein Hauptarbeitgeber, für die strukturschwache Region ist diese Entscheidung eine Katastrophe. Während sich der Widerstand gegen die Pläne formiert, wollen die Prinovis-Eigentümer Bertelsmann und Axel Springer AG bis zum endgültigen Schlusspunkt noch kräftig sparen: Rund 300 Leiharbeitnehmer/innen sollen ab Mai als Werk-vertragsnehmer arbeiten.

Im Schulterschluss

In einem langen Zug gingen die Beschäftigten unlängst von ihrem Werk zum Berliner Platz in Itzehoe, zahlreiche Menschen reihten sich ein. Weit mehr als 2000 versammelten sich im Zentrum der Stadt, die nur rund 30.000 Einwohner hat und einen weiteren tiefen Schnitt fürchtet: Viele Geschäfte stehen schon leer, die Bundeswehr hat ihren Standort längst geschlossen. Fast jede/r wird es spüren, wenn auch die Druckerei als Arbeitgeber wegfällt; die Kaufkraft der Beschäftigten wird fehlen, Lieferanten müssen auf Umsätze verzichten.

Das wissen die Menschen, die sich an diesem 23. Februar versammeln. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt werden sie von zahlreichen Rednern eingeschworen, nicht aufzugeben, sondern zu kämpfen. Parteien, Gewerbetreibende und Gewerkschafter stehen einträchtig nebeneinander, hier wird der Schulterschluss geübt. Das gilt auch für die Belegschaft. Alle sollen in die Verhandlungen für den Sozialplan einbezogen werden - egal, ob sie direkt bei Prinovis angestellt, Leiharbeit- oder Werkvertragsnehmer sind. Das hat die ver.di-Mitgliederversammlung beschlossen. Außerdem werden Hilfen bei Umschulungen, Qualifizierungen und bei der Job-Vermittlung gefordert. Am 15. April beginnen die Verhandlungen des Betriebsrats gemeinsam mit ver.di für den Sozialplan und einen Sozialtarifvertrag. Der Betriebsrat hat beschlossen, 1,7 Monatslöhne je Beschäftigungsjahr als Abfindung zu fordern.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigen die Kirchen: Fünf nach zwölf läuten sie die Glocken in Itzehoe und den umliegenden Gemeinden. Es sei wie früher, sagt Martin Dieckmann, ver.di-Landesfachbereichsleiter Nord. Wenn die Glocken zu einer ungeraden Zeit läuteten, riefen sie die Menschen zusammen. Sie seien zusammengerufen worden, weil Not abgewendet werden müsse.

21 Jahre bei Prinovis

Geduldig steht Doris Looft in der Menge. Seit 21 Jahren arbeitet sie als kaufmännische Angestellte im Versand bei Prinovis. Damals kam sie aus Hamburg nach Itzehoe. Als sie im Werk anfing, hieß es noch Gruner Druck. Eigentlich wollte sie nicht auf Dauer bleiben, doch die Sozialleistungen überzeugten sie.

Das ist lange her, viel ist seitdem passiert. 2006 brachte Gruner + Jahr das Werk in Itzehoe in das neu gegründete Gemeinschaftsunternehmen Prinovis ein. Die Axel Springer AG, Bertelsmann und Gruner + Jahr waren daran beteiligt. Gruner + Jahr stieg später aus, Bertelsmann übernahm die Anteile.

Bis zur beabsichtigten Schließung im August 2014 soll noch mal kräftig gespart werden: 300 Leiharbeitnehmer/innen sollen ab Mai mit Werkvertrag arbeiten. Ab 1. Juli müssten Zuschläge gezahlt werden, die gestaffelt bis zu 45 Prozent betragen. Damit sollen die Leiharbeitnehmer an die Stammbelegschaft angeglichen werden. Das will Prinovis umgehen.

ver.di gegen Werkverträge

Am 11. März zitierte der Betriebsrat in einem Aushang aus einem Schreiben von ver.di an die Konzernleitung, in dem gefordert wird, dieses Vorhaben aufzugeben: Sollte Prinovis dem nicht nachkommen, "wird ver.di als Gewerkschaft insbesondere die Werkvertragsunternehmen mit Forderungen konfrontieren, etwa nach tarifvertraglichen Vereinbarungen zur Einrichtung von Betriebsräten am Standort Itzehoe". Darüber hinaus werde ver.di nicht nachlassen, das Thema "Werkverträge bei Prinovis Itzehoe" sowohl medienöffentlich als auch auf politischer Ebene zu skandalisieren. Die Antwort stand bis Redaktionsschluss noch aus.

Davon ahnt Doris Looft an diesem Tag noch nichts. Sie ist nicht nur ver.di-Mitglied, sondern auch Betriebsrätin. Auf ihrem Schild steht "Meine Arbeitslosigkeit hat einen Namen: Liz Mohn". Mit der Milliardärin Elisabeth Mohn aus dem Bertelsmann-Imperium hat Doris Looft wenig gemein. Sie wird in diesem Jahr 55, ihre Tochter studiert, ein neuer Job ist nicht in Sicht. Sie rechnet nach: Schließung im August 2014. Transfergesellschaften über drei Jahre. Dann zwei Jahre Arbeitslosengeld. Ob es reicht, das rettende Ufer Rente zu erreichen? Wird der Arbeitgeber bei Abfindungen und Transfergesellschaft großzügig sein? Sie wird versuchen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

http://medien-kunst-industrie-hamburg.verdi.de

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