So, jetzt sagen wir alle mal "Hühnerkacke" zum KiföG: Demo in Gießen

Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Die hessische Landesregierung stellt mit viel öffentlichem Tamtam ein Kinderförderungsgesetz vor. Wie stets wird von der Zukunft unserer Gesellschaft geredet. Und auch die Abkürzung KiföG hat einen Hauch von "kleiner Hexe". Dennoch legen sich Erzieherinnen, Eltern, Wohlfahrtsverbände, Kirchen und nicht zuletzt ver.di quer. Landauf, landab finden Demonstrationen und Kundgebungen gegen diesen Gesetzesplan der schwarz-gelben Regierung statt. Im Januar, Februar und März zum Beispiel in Kassel, Frankfurt, Wiesbaden, Wetzlar, Gießen und Marburg.

Kindbezogen nennt sich der Gesetzentwurf. Das klingt zunächst gut. Die Qualität von Bildung und Erziehung von kürzesten Beinen an muss oberster Maßstab für die Gesellschaft sein; ganz vorne müssen auch die Ansprüche der Eltern rangieren. Nach Meinung der Kritiker kann aber hiervon keine Rede sein. "Oh Schreck", rief der evangelische Pfarrer Jörg Süß Mitte Februar auf einer Kundgebung vor 600 Teilnehmenden in Wetzlar, "so wenige Gedanken hat man sich gemacht."

Kirsten Frank von ver.di Hessen zeichnet die Negativliste im Einzelnen auf. Schlimmste Befürchtung: Die Gruppen werden größer, weniger Erziehende müssen mehr Kinder betreuen. Grund: Die Personalbemessungen und damit auch die Förderung durch Landesmittel würden sich nicht mehr nach Gruppen, sondern nach der allgemeinen Kinderzahl richten. Die aber kann durchaus schwanken. Sollen je nachdem Erzieherinnen geheuert und gefeuert werden? Kinder brauchen eine intensive Betreuung, um die gleichen Chancen zu bekommen. Manche sind schneller, manche beanspruchen mehr Zeit.

Gerade wenn flexibel agiert werden soll, wie es die Landesregierung vorgibt, muss man auf unterschiedliche Bedürfnisse reagieren können. Dazu werden Zeit, Raum und ausgebildete Kräfte benötigt. Wer Gruppen bis zur Obergrenze auffüllen will, beschädigt das Verhältnis zwischen Erziehern und Kindern. Nach Berechnungen würde die Zahl der Betreuerinnen pro Gruppe deutlich sinken. Und niemand dürfte mal krank werden. Zudem würde die durchschnittliche Betreuungszeit pro Woche abgesenkt.

Als falsches Signal wertet es Kirsten Frank auch, dass der Anteil an nicht pädagogisch ausgebildetem Personal erhöht werden soll. Doch in einer Erzieher/innen-Ausbildung lernt man deutlich mehr, als nur Windeln zu wechseln. Kinder, gerade im Kindergartenalter, sind auf kontinuierliche und verlässliche Beziehungen angewiesen. Solche aufzubauen, ist wichtiger Bestandteil der Ausbildung.

Kindererziehung geschieht nicht mal eben nebenbei

Kaum berücksichtigt sind außerdem Zeiten für Vor- und Nachbereitung, Leitungsaufgaben, Weiterbildung und die zunehmenden Beratungstätigkeiten. In allen Altersstufen müssen auch kleinste Aktionen geplant und anschließend besprochen werden. Zudem: Welches Signal wird an die Gesellschaft gesandt, wenn man vorgibt, ein Teil der Kindererziehung könne so nebenbei geschehen. "Es braucht Anerkennung und Wertschätzung, ausreichend Zeit, eine gute Ausbildung und eine gute Bezahlung." ver.di fordert umfangreiche Neueinstellungen. Wenn das Land Hessen mehr Geld investieren will, dann so.

Eine Frankfurter Einrichtung beließ es nicht bei Vermutungen und testete eine Woche lang "am eigenen Leib", wie sich diese Gesetzesplanung auf den Alltag in einer Kindereinrichtung auswirken würde. Die Befürchtungen wurden im Praxistest bestätigt. Tine Hagen, Diplompädagogin in Frankfurt, mahnt darüber hinaus an: "Was geschieht unter diesem Druck und unter dieser Leistungsverdichtung mit Kindern, die einen Migrationshintergrund haben? Was geschieht mit Kindern, die ein körperliches oder geistiges Defizit haben. Alle reden von Integration und von Inklusion. Ein Gesetz darf dem nicht zuwiderlaufen." Für Anfang April, rechtzeitig vor der Abstimmung im hessischen Landtag, ist in Wiesbaden eine zentrale Protestkundgebung geplant.