Chuck Norris und seine Azubis

VON Renate Bastian

"Definitiv gut an diesem Tarifergebnis ist, dass die Kohle stimmt." 74 Prozent der ver.di-Mitglieder haben das so gesehen und sich für das Ergebnis ausgesprochen. Auch Stanislas Häubel von den Städtischen Bühnen Frankfurt fühlt sich als Vertreter der Auszubildenden eins mit der großen Mehrheit der Azubis. Birgit Weindl, Personalratsvorsitzende in der Stadtverwaltung Hattersheim bei Frankfurt, sieht insofern einen enormen Schritt, als der Abschluss oberhalb der Inflationsrate liegt. Gerade in den finanzschwachen kommunalen Verwaltungen sei dies ein wichtiger Gesichtspunkt. Dennoch hört sie die kritischen Stimmen aus dem öffentlichen Personennahverkehr: "Hier kam eindeutig zu wenig raus."

Was wirklich weh tut

Die ver.di-Geschäftsführerin in Osthessen, Angelika Kappe, sieht das Ergebnis für ihren Bereich überwiegend positiv. Die Krankenpflegeschule Fulda hat sich zum Beispiel komplett am Streik beteiligt. Bei ihnen wie auch bei den kommunalen Beschäftigten zählt jeder Cent - sie ernten nun den Lohn ihres Einsatzes. Dennoch, so der hessische Landesleiter Jürgen Bothner, kann man sich nicht beruhigt zurücklehnen. Er sieht Licht, aber auch Schatten im Tarifabschluss. Was alle Aktiven schmerzt, ja ihnen "wirklich weh tut", ist das Fehlen der sozialen Komponente. Manch einer und manch eine in Hessen hätte gerne noch zugelegt und noch ausreichend Energie gehabt, um diesem Ziel näher zu kommen. Das sehen besonders die mittelhessischen Vertrauensleute so. Sie wollen für die Zukunft eine bessere Abstimmung, bevor in einem Nachtmarathon von Verhandlungen die Entscheidung fällt.

Tarifpolitik ist das Kerngeschäft der Gewerkschaften. Hier bestimmt sich, welchen gesellschaftlichen Einfluss sie über eine Erhöhung der Einkommen hinaus wahrnehmen können. Und hier zeigen sie, wie sie sich bewegen. Und je nach Pulsschlag verläuft eine Tarifbewegung mal als eine Kurzgeschichte, müde im Verlauf und auch eher lau im Ergebnis. Manchmal aber auch furios in mehreren Akten und mit vielen Akteuren. So geschehen in diesem Frühjahr. Drei Ziele standen diesmal im Zentrum: eine spürbare Erhöhung der Einkommen nach mehreren mageren Jahren, eine zusätzliche Anhebung für diejenigen, die am unteren finanziellen Niveau festgeschrieben sind, und die beruflichen Perspektiven, sprich die Übernahme von Auszubildenden. Bei den Städtischen Bühnen Frankfurt beurteilt man die Übernahmeregelung verhalten. Zwölf Monate nach der Prüfung sind zugesagt, sofern man sich ordentlich betragen hat. Stolperstein: Die Übernahme richtet sich nach dem Bedarf. Stanislas Häubel rechnet schon jetzt damit, dass es noch erheblicher Kraft bedarf, das tarifpolitische Ergebnis Wirklichkeit werden zu lassen. Außerdem ist man an den Städtischen Bühnen Frankfurt "zutiefst enttäuscht", dass technisch Beschäftigte mit überwiegend künstlerischen Aufgaben nicht zeitgleich in den Tarifvertrag öffentlicher Dienst eingegliedert wurden. Verhandlungen sollen im September stattfinden, dann aber ohne den Rückenwind der Streiks.

ver.di deutlich wahrgenommen

Was aber bleibt und erfreut, so Jürgen Bothner, ist, dass in ganz Hessen ver.di wieder deutlich wahrgenommen wurde. Der Bewegungsmonat März war derjenige mit den meisten Eintritten, ein Drittel davon Azubis. Anfang Mai wird in Hessen noch einmal Bilanz gezogen. Denn die nächste Tarifbewegung kommt ganz bestimmt.