Angriff der EU-Kommission auf das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort"

23 Artikel, 883 Änderungsanträge - da kann am Ende nur Murks dabei rauskommen beziehungsweise das Schlimmste verhindert werden. Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den Jahren 2007 und 2008 in drei verschiedenen Urteilen (Laval, Rüffert und Luxemburg) die Auslegung der europäischen Entsenderichtlinie grundlegend verändert hat, fordern ver.di und andere europäische Gewerkschaften eine Prüfung und Änderung der Richtlinie.

Es geht letztendlich darum, zu welchen Bedingungen Beschäftigte arbeiten, wenn sie von ihrem inländischen Unternehmen in eines der anderen EU-Länder geschickt, also entsendet werden, um dort zu arbeiten. Gelten für sie die Bestimmungen ihres Herkunftslandes oder die des Landes, in dem sie tätig sind? Und vor allem: Wer kontrolliert die Bedingungen?

Jetzt soll voraussichtlich im Mai, spätestens im Juni über die so genannte Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie im Europäischen Parlament abgestimmt werden. Dabei sagt das Wort Durchsetzung schon alles. Die EU-Kommission hat sich vor einem Jahr mit dem Vorschlag zur Durchsetzungsrichtlinie kein Stück auf die Kritiker zubewegt, sondern auf die Urteile des EuGH noch eins draufgelegt: Demnach müssen nicht die Beschäftigten, sondern in erster Linie die Unternehmen, die entsenden, geschützt werden, und zwar vor zu strengen Kontrollen.

Lohn vor Ort entscheidet

Das Prinzip "gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am gleichen Ort" wäre damit vom Tisch. Aber genau das fordern die Gewerkschaften, hierzulande sogar einmal im gleichen Atemzug mit der Bundesregierung. Nicht die Lohnhöhe im Herkunftsland darf für die Beschäftigten entscheidend sein, sondern allein der Lohn, der vor Ort gezahlt wird, wo gearbeitet wird. Wirksame Kontrollen und Sanktionen müssen möglich sein, und Unternehmen auch für ihre Subunternehmen haften.

Der EU-Binnenmarktausschuss, der die Interessen der Unternehmen vertritt, hat dem Vorschlag der EU-Kommission im Februar vorbehaltlos zugestimmt. Der federführende Beschäftigtenausschuss quält sich noch durch die 883 Änderungsanträge. Er will am 30. Mai abstimmen. Bis dahin müssen aus Gewerkschaftssicht Mindestkontrollen, Missbrauchsregelungen, eine Generalunternehmerhaftung und Beratungsstellen für die Beschäftigten gesichert sein.

PeWe