"Einzigartig und unvergesslich" soll der Tag sein, bei Achterbahn, Aquarium oder Gruselkabinett. Doch gruselig ist dieser Freizeitspaß eher für die Beschäftigten: Geringe Löhne, befristete Verträge, die Fluktuation ist groß

von Heike Langenberg

"Tarif? ver.di!" steht in bunter Sprühkreide auf dem Weg zwischen dem Bahnhof Wolterdingen und dem Heide Park. Wenige Schritte weiter folgt die Aufforderung "Mitglied werden". Und in den Bäumen weht ein Transparent mit der Aufschrift "Spaß und faire Löhne im Heide Park". Doch als die Beschäftigten des Vergnügungsparks in der Lüneburger Heide morgens vom Bahnhof zu ihren Arbeitsplätzen eilen, sehen nur noch die ersten die Botschaften, die ver.di ihnen Anfang Juni hinterlassen hat. Die Geschäftsführung hat schnell einen Reinigungstrupp geschickt, der die Aufschriften wieder entfernt.

Rund 200 Stammbeschäftigte arbeiten in dem Freizeitpark, meist in der Verwaltung und in den Werkstätten. In der Saison kommen rund 600 weitere Beschäftigte dazu. Sie weisen den Besucher/innen ihre Parkplätze zu, verkaufen ihnen Eintrittskarten, kontrollieren, ob sie in der Wildwasserbahn die Sicherheitsbügel richtig geschlossen haben, damit es nicht zum Äußersten kommt. Pro Stunde bezahlt ihnen der Heide Park dafür 8,04 Euro als Einstiegsgehalt. Garantiert werden ihnen meist 20 Einsatzstunden pro Woche, mehr können es nur werden, wenn das Wetter gut ist. Dennoch seien viele der Beschäftigten froh, überhaupt einen Job zu haben, sagt ver.di-Sekretär Benjamin Roscher: "Die Lüneburger Heide ist nicht gerade eine strukturstarke Gegend." Kontakt zu den Beschäftigten aufzunehmen, ist für den Gewerkschafter schwierig. Ein erstes Treffen fand unter strengster Geheimhaltung mehr als 30 Kilometer vom Park entfernt statt. Flugblätter, die ver.di Anfang Juni im Park verteilt hat, wurden zwar angenommen, verschwanden aber schnell in der Tasche.

Vertrag nur für eine Saison

"Die Leute rennen uns nicht gerade die Hütte ein", bestätigt Ute Kittel, beim ver.di-Bundesvorstand für den Bereich Touristik, Freizeit, Wohlbefinden zuständig - und das gelte für alle Freizeitparks. Dabei seien die Probleme der Beschäftigten groß: Die Arbeitgeber sähen das Arbeitszeitgesetz nur als Empfehlung an, die Löhne seien niedrig, Pausen würden nicht eingehalten, viele geringfügig Beschäftigte um Urlaub oder Lohn geprellt.

Hinterfragt wird höchstens der hohe Eintrittspreis, die Löhne nicht

Zwar meldeten sich immer wieder einzelne Betroffene bei ver.di. Aber für viele sei der Job in einem Freizeitpark eben nur eine Zwischenstation. "Sie gehen weg, sobald sie ein besseres Angebot bekommen", sagt Kittel. Oder sie gehen, wenn sie es gar nicht mehr aushalten. "Wir haben schon in verschiedenen Einrichtungen versucht, Betriebsräte zu wählen. Aber oft waren schon während der Wahl unsere Mitglieder wieder weg." Hinzu komme, dass viele nur einen Vertrag für eine Saison erhalten. Wer im nächsten Jahr wieder einen unterschreiben möchte, scheue sich oft davor, seine Ansprüche durchzusetzen.

Der niedrige Stundenlohn werde den Aufgaben oft nicht gerecht. "Man braucht qualifizierte Leute mit einem Faible für den Service-Bereich oder mit technischem Verständnis", sagt Ute Kittel. Es gehe in Freizeitparks nicht nur darum, einen Knopf zu drücken, damit sich das Karussell dreht. Vielmehr müssten die Beschäftigten die Sicherheit der Fahrgäste und der Anlage im Blick haben. Die Besucher/innen der Parks dächten oft nicht darüber nach, zu welchen Bedingungen diejenigen arbeiten, die ihnen den Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis machen sollen, sagt die Gewerkschafterin: "Höchstens der hohe Eintrittspreis wird hinterfragt."

Am schnellsten dreht sich das Personalkarussel

Wie sinnvoll Betriebsräte in Freizeiteinrichtungen wären, zeigen das Hamburg Dungeon, in dem in einer Mischung aus Gruselkabinett, Theater und Fahrgeschäften die Geschichte der Hansestadt erzählt wird, und das Großaquarium von Sea Life am Timmendorfer Strand. Beide gehören, wie der Heide Park, zur Merlin Entertainments Group, dem zweitgrößten Betreiber von Freizeitanlagen weltweit.

In Hamburg standen die Besucher/innen im Herbst vergangenen Jahres sogar vor verschlossenen Türen. "Viele hatten großes Verständnis für unseren Streik, als sie gehört haben, wie wenig wir verdienen", sagt der Betriebsratsvorsitzende Helge van Hove. Je nach Saison arbeiten bis zu 100 Beschäftigte bei Hamburg Dungeon. Durch den Streik konnten 8,50 Euro als Einstiegsgehalt für Servicekräfte durchgesetzt werden, die Schauspieler erhalten jetzt 9,25 Euro pro Stunde. Außerdem wurde der Urlaubsanspruch verbessert. "Das Problem ist, dass man bei Merlin wohl nicht damit rechnet, dass die Leute auch bleiben wollen", sagt van Hove zur Bezahlung und den Arbeitsbedingungen.

Im Großaquarium Sea Life am Timmendorfer Strand arbeiten in der Hochsaison rund 40 Leute. Auch hier sind Fluktuation und Minijobs weit verbreitet. Bei 7,25 Euro liegt der Einstiegslohn für diejenigen, die Souvenirs verkaufen und den Besucher/innen die Fische erklären. "Als der Betriebsrat gegründet wurde, sagte die Firma, wir seien eine große Familie, man könne über alles reden", erinnert sich der Betriebsratsvorsitzende Torsten Höppner. Doch die Beschäftigten entschieden sich für eine eigene Interessenvertretung. Und die habe bereits einige Probleme lösen können.

Ein Anfang ist gemacht

Mittlerweile gibt es in mehreren Anlagen, die zu Merlin gehören, Interessenvertretungen. Sie würden die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen gerne in Tarifverträgen regeln. Doch da beißen sie bislang beim Arbeitgeber auf Granit. Die englische Geschäftsführung will keine Tarifverträge abschließen und ist nicht gesprächsbereit. "Die Vertragslosigkeit prägt die Branche", sagt Ute Kittel, nicht nur bei Merlin, sondern auch bei anderen Anbietern.

Im Heide Park will ver.di weiter die Probleme der Beschäftigten öffentlich machen und sie durch diesen Druck verändern. Einen ersten Erfolg gab es nach der Aktion Anfang Juni bereits. Die Geschäftsführung hat angekündigt, den Einstiegslohn von 8,04 Euro auf 8,30 Euro zu erhöhen. Kein Quantensprung, aber ein Anfang.