Der unbefristete Arbeitsvertrag ist längst Geschichte. Leiharbeit und Werkverträge senken die Kosten der Unternehmen um Milliarden. Und die Politik macht mit

von Maria Kniesburges

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt will sie partout nicht sehen. Aber es gibt sie, die großen hässlichen Flecken auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt. Wo dank Lohndumpings der Niedriglohn grassiert, wo Minijobs und Teilzeitarbeit schon die Regel sind, wo der unbefristete Arbeitsvertrag längst Geschichte ist. Und wo Leiharbeit und Scheinwerkvertrag auf das einträglichste die Personalkosten der Unternehmen senken.

1,5 Milliarden Euro pro Jahr zahlt der Staat an Hilfen für Beschäftigte allein im Einzelhandel, deren Lohn zum Leben nicht reicht. Das hat die Bundesregierung Ende Mai auf eine Anfrage der Partei Die Linke im Bundestag mitgeteilt. 1,5 Milliarden aus Steuergeldern, quasi als regelmäßig sprudelnde Subvention für die notleidenden Handels-Imperien. Nur ein Beispiel aus der Realität am bundesdeutschen Arbeitsmarkt.

Für Arbeitgeberpräsident Hundt alles blanker Unsinn. "In zahlreichen Kommentaren der Medien und Gewerkschaftsorgane", schreibt er, werde "das Zerrbild einer von Zukunftssorgen und schlechten Arbeitsbedingungen geprägten Gesellschaft gezeichnet." Dem hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände nun eine Art Basta-Broschüre entgegengesetzt. Titel: "Die Realität am deutschen Arbeitsmarkt - Fakten statt Zerrbilder". Teilzeitarbeit, heißt es da, "ist fast immer aus privaten Gründen gewollt". Leiharbeit wird als "vollwertiges Arbeitsverhältnis" hochgejubelt, das - versteht sich - "Beschäftigung schafft". Und - Jugend aufgepasst - "Befristungen erleichtern den Einstieg ins Berufsleben und münden über- wiegend in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse".

Schleichweg Werkvertrag

Der Scheinwerkvertrag taucht in dieser schönen heilen Arbeitswelt, die uns die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände da präsentiert, gar nicht erst auf. Obwohl der Werkvertrag von einer findigen Unternehmerschaft längst als der geeignete Schleichweg entdeckt wurde, auf dem sogar noch die Bedingungen in der Leiharbeit unterlaufen werden können. Entdeckt just zu dem Zeitpunkt, als die Gewerkschaften bessere Regelungen und Bezahlung für die Leiharbeit durchsetzen konnten. Seither beauftragen etwa Handelsketten, aber längst nicht nur die, Fremdfirmen mit einem "Werk" wie "Regale einräumen", und vollbracht wird das "Werk" von deren Personal zum Billiglohn - außerhalb jeder Tarifgeltung. Realität am bundesdeutschen Arbeitsmarkt.

Die SPD, Die Linke und die Grünen haben Gesetzesentwürfe gegen den Missbrauch von Werkverträgen vorgelegt. Doch Schwarz-Gelb hat sie Mitte Juni im Ausschuss für Arbeit und Soziales allesamt abgelehnt. Sozusagen erwartungsgemäß. Es steht ja nicht weniger als die unternehmerische Freiheit auf dem Spiel.

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"Ich klage auf gleiche Bezahlung"

Knapp acht Millionen Deutsche haben keine lebenssichernden Einkommen mehr. 20 Prozent der Bevölkerung sind von Armut bedroht. David H., als Leiharbeiter Schichtleiter bei der Axel Springer AG mit 800 Euro netto, klagt jetzt.

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