Steuergerechtigkeit

Katharina Ries-Heidtke, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Asklepios-Kliniken

"Nur zehn Prozent der Bundesbürger verfügen über 66 Prozent des Privatvermögens. Dieses Privatvermögen ist derzeit auf mehr als neun Billionen Euro angewachsen. Allein in Hamburg beträgt es etwa 219 Milliarden Euro, es nimmt pro Minute um 24000 Euro zu. Diesem privaten Reichtum steht eine wachsende öffentliche Armut gegenüber. Obwohl Deutschland ein reiches Land ist, fehlen dem Staat schon heute die notwendigen Einnahmen, um Kitas, Bildungs-, Kultur- und Sozialeinrichtungen und die übrige öffentliche Infrastruktur auskömmlich zu finanzieren.

Die Politik der Steuergeschenke für Reiche und Spekulanten sowie die Milliardenbeträge, die für die Politik der Renditeabsicherung zugunsten der Bankenvorstände aufgebracht wurden, haben für den Anstieg der öffentliche Verschuldung gesorgt. Insofern ist die Einnahme- und Schuldenproblematik des Staates im Kern auf eine falsche Steuer- und Finanzpolitik zurückzuführen. Wer die Schuldengrenze als notwendige Antwort auf die falsche Steuer- und Finanzpolitik propagiert, tut so, als könne er Feuer mit Benzin löschen.

Ohne zusätzliche Einnahmen würde die Politik der Schuldengrenze zu weiteren Einschränkungen u.a. im Kita- und Bildungsbereich sowie zur Fortschreibung der Unterfinanzierung der Krankenhäuser usw. führen. Damit die Schuldengrenze für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zur Gerechtigkeitsfalle wird, brauchen wir eine höhere Besteuerung von Reichtum und Spekulation.

Neben einer höheren Steuerquote bedeutet das unter anderem auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie Steuern auf große Erbschaften. Steuergerechtigkeit ist insbesondere für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von zentraler Bedeutung, denn sie können sich einen armen Staat nicht leisten. In diesem Sinne kann jede und jeder Wahlberechtigte am 22. September ein Zeichen setzen."


Arbeitsmarktgerechtigkeit

Gabriele Gülzau, Betriebsratsvorsitzende der Deutschen Post Hamburg-Zentrum

"Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben gute Gründe, sich in die Politik einzumischen und die Politiker zu fragen, was sie von ihnen erwarten können. Und ihnen zu sagen, was sie erwarten. Denn aus Arbeitnehmersicht ist längst nicht alles gut geregelt in unserem Land, und es gibt vieles, das verbessert werden müsste. Als Gewerkschafterin und Betriebsratsvorsitzende habe ich eine ziemlich lange Liste von Verbesserungswünschen.

Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, der ziemlich schnell von 8,50 Euro auf zehn Euro steigen sollte, um Lohndumping auf Dauer zu verhindern. Öffentliche Aufträge sollten nur an Firmen vergeben werden dürfen, die soziale Mindeststandards - wie beispielsweise diesen Mindestlohn - einhalten. Die Tarifautonomie und die Flächentarifverträge müssen geschützt werden.

Wir brauchen bessere Möglichkeiten, Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. All das würde helfen zu verhindern, dass hier in Deutschland der Wettbewerb zunehmend über die schlechtesten Arbeitsbedingungen stattfindet. Dazu gehört auch, dass Leiharbeit anders geregelt werden muss, wenn es sie weiterhin geben sollte. Leiharbeitnehmer müssen vom ersten Tag an mindestens gleich bezahlt und behandelt werden wie die Stammbelegschaften, und ihre Beschäftigung im Betrieb muss zeitlich begrenzt sein. Es muss verboten sein, Leiharbeitnehmer als Streikbrecher einzusetzen. Betriebsräte brauchen verbesserte Mitbestimmungsrechte, um den missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit und Werksverträgen zu verhindern.

Wir brauchen auch bessere Mitbestimmungsrechte, um Arbeit auf Abruf wirksam verhindern zu können und um den Missbrauch von befristeten Arbeitsverträgen zu stoppen. Überhaupt muss das Teilzeit- und Befristungsgesetz aus meiner Sicht unbedingt geändert werden. Die sachgrundlose Befristung gehört abgeschafft.

Deshalb sehe ich mir vor der Wahl genau an, welche Partei mir was verspricht!"


Rentengerechtigkeit

Rainer Hahn, Personalratsvorsitzender bei der Stadtreinigung

"Als Personalratsvorsitzender bei der Stadtreinigung Hamburg bekomme ich hautnah mit, wie negativ sich die Veränderungen im Rentenrecht auf die Beschäftigten auswirken. Beschäftigte in den Leistungsbereichen - Müllabfuhr, Sperrmüll, Straßenreinigung - sind wie in vielen anderen Branchen auch einer starken körperlichen Belastung ausgesetzt. Ich habe in der Vergangenheit kaum Beschäftigte kennengelernt, die die Altersgrenze von 65 gesund erreicht haben.

Durch die hohe Arbeitsverdichtung einerseits und die Anhebung des Renteneintrittsalters andererseits wird die Zahl der Beschäftigten, die vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen, dramatisch ansteigen. Infolgedessen müssen diese Beschäftigten ihr Leben lang massive Abschläge bei ihrer monatlichen Rente in Kauf nehmen.

Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm. Das heißt: Es wird zu Lasten der Rentner gespart. Hier muss von Seiten der Politik dringend nachgebessert werden. Jede und jeder Bundesbürger/in hat Anspruch auf ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben im Alter.

Um das erreichen zu können, ist es erforderlich, nicht nur das Rentenniveau anzuheben und das Renteneintrittsalter zu senken, sondern auch die Entlohnung für gute Arbeit durch Mindestlöhne abzusichern und alternsgerechtes Arbeiten zu ermöglichen. Das muss und kann nur von den politisch Verantwortlichen durchgesetzt werden, und darum gehe ich zur Wahl. Demokratie funktioniert, wir müssen sie nur nutzen!"


Demokratiegerechtigkeit

Wolfgang Abel, ver.di-Landesleiter

"Der 22. September ist kein Tag wie jeder andere. Dennoch geht längst nicht mehr jede oder jeder zur Wahl. Die höchste Wahlbeteiligung oberhalb einer Kommunalwahl hatten wir bei der Bundestagswahl 1972 mit 91,1 Prozent. Politikverdrossenheit, Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit haben inzwischen dazu geführt, dass Wahlbeteiligungsquoten um die 50 Prozent traurige Realität sind. Die Gruppe der Nichtwähler droht dauerhaft zur ,stärksten Partei ́ zu werden. Damit können wir uns nicht abfinden, denn Wahlen ohne Wähler führen zu einer Demokratie ohne Demokraten, um es zugespitzt zu formulieren.

Der Hinweis derer, die ihr Wahlrecht nicht nutzen, lautet häufig: ,Das bringt ja doch nichts! ́ Diese These mag der eigenen Beruhigung dienen, sie ist aber grundlegend falsch. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen in diesem Jahr haben zum Beispiel 334 Stimmen den Ausschlag für den Politik- und Regierungswechsel gegeben, obwohl mehrere Millionen wahlberechtigt waren. Deshalb gilt: Es kommt auf jede Stimme an!

ver.di hat kein Mandat, gegenüber den Mitgliedern eine konkrete Wahlempfehlung auszusprechen, aber sehr wohl eine Verpflichtung, sich für eine hohe Wahlbeteiligung zu engagieren. Gewerkschafter wissen: Gerechtigkeit und Demokratie gehören zusammen, sie bilden eine Einheit. Gerechtigkeit in einer Demokratie erwächst aber nicht aus Politikverdrossenheit, Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit, sondern aus dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger.

Deshalb: Ob es regnet oder ob die Sonne scheint, die Katze krank ist oder der Hund jault, ob das Auto kaputt ist oder die Lieblingssendung läuft - für den 22. September 2013 gilt unser Motto: Nutze dein Wahlrecht, setzte ein Zeichen für Gerechtigkeit und Demokratie."