Ausgabe 06/2013
Auch nur ein Kapitalist
Nicolas Berggruen macht mit seiner Firma nichts anders als die anderen
HENRIK MÜLLER ist Redakteur der ver.di PUBLIK
Dass Nicolas Berggruen als Eigentümer des Karstadt-Konzerns ein ganz normaler Kapitalist ist und keineswegs der selbstlose Retter der Entrechteten, als der er sich anfangs feiern ließ, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Große Pläne damals: Er werde der Belegschaft Zukunft und Perspektive geben, aber erstmal hat er weitere 2 000 Arbeitsplätze gestrichen. Er werde das geltende Tarifwerk akzeptieren, aber er ist aus der Tarifbindung geflüchtet. Er werde Karstadt unter einem Dach erhalten, aber jetzt hat er wertvolle Teile verscherbelt.
Die Belegschaft wird seit Jahren mit einem ewigen Hin und Her in der Unternehmensführung, mit Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau und mit einer existenziellen Ungewissheit hinsichtlich ihrer Zukunft gequält. Daran hat sich auch unter Berggruen nichts geändert. Aber für eines könnten wir ihm fast dankbar sein: An seinem Beispiel lässt sich in seltener Klarheit studieren, wie unser kapitalistisches Wirtschaftsystem funktioniert.
Nicolas Berggruen hat bisher noch keinen Cent eigenen Geldes in die Kaufhaus-Kette gesteckt, die er seinerzeit für den symbolischen einen Euro aus der Insolvenz heraus hat erwerben dürfen. Stattdessen hat er an dem angeblich maroden Unternehmen gutes Geld verdient. 70 Millionen Euro, die er dem Konzern als Kredit zur Verfügung stellte, hat er längst zurück, mit guten Zinsen - alles erwirtschaftet von fleißigen Beschäftigten. Die Rechte an dem Traditionsnamen hat er gekauft; seitdem muss Karstadt für den eigenen Namen an Berggruen Lizenzgebühren zahlen.
Und so ist die Rechtslage: Obwohl er nichts dafür bezahlt hat, ist der Konzern sein Eigentum, und er darf damit machen, was er will, zum Beispiel die Premium- und Sporthäuser für 300 Millionen Euro an einen österreichischen Immobilienhai verkaufen. Den abhängig Beschäftigten von Karstadt hingegen, die per Lohnverzicht über die Jahre mehr als 650 Millionen Euro in "ihr" Unternehmen investiert haben, gehört nichts. Sie können nichts davon verkaufen, sondern weiter nur ihre Arbeitskraft. So einfach ist das - und so böse.