An den Hochschulen in Niedersachsen und Bremen arbeiten mehr als 30 000 wissenschaftliche Beschäftigte. Kettenverträge, prekäre materielle Lage und unsichere Zukunft prägen häufig ihre Situation. So sind etwa 80 Prozent der jungen Akademiker/innen auf immer wieder erneut befristete Verträge angewiesen. Rund 40 Prozent haben halbe Stellen, arbeiten de facto aber fast Vollzeit. All das wären gewichtige Gründe für einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Tatsächlich haben aber nur rund fünf Prozent einen Mitgliedsausweis.

Wie lässt sich beim akademischen Nachwuchs das Interesse an gewerkschaftlicher Organisation wecken? Mit dieser Fragestellung hat der ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen eine Studie zu "Arbeitssituation und Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses" in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind jetzt in dem Buch Zwischen W3 und Hartz IV nachzulesen. Ratschlag der Autorinnen an die Gewerkschaft: mehr Initiative zeigen und Überzeugungs- arbeit leisten.

Die Sozialwissenschaftlerinnen Andrea Lange-Vester (Darmstadt) und Christel Teiwes-Kügler (Duisburg-Essen) forschten in der Universität Bremen und im Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut nach. Die Ergebnisse sind gleichwohl übertragbar auf alle Hochschulstandorte und sollten zur allgemeinen Pflichtlektüre für Betriebs- und Personalräte wie für Verantwortliche an den Hochschulen gehören.

Nach dem Ergebnis der Studie haben es die Gewerkschaften an den Unis "mit einer Klientel zu tun, die mit ihrer beruflichen Tätigkeit eine gewisse Leidenschaft verbindet und die auch dann, wenn Probleme am Arbeitsplatz auftreten, primär auf Eigenverantwortlichkeit und eigenständige Lösungsversuche setzt." Als Angehörige zumeist der mittleren und oberen Gesellschaftsgruppen halten junge Akademiker/innen laut Befragung "Leistung und Eigenverantwortung" sowie die Chance auf "selbstbestimmte Arbeitsweise im wissenschaftlichen Feld" für "besonders reizvoll". Auch deshalb ziehen sie bei Problemen am Arbeitsplatz "individuelle Lösungswege" vor und halten Personalvertretungen auf Distanz.

Persönliche Ansprache

Andererseits, so Lange-Vester und Teiwes-Kügler, zeigen vor allem naturwissenschaftlich Beschäftigte "eine relativ große Aufgeschlossenheit" gegenüber Gewerkschaften. Doch selbst wenn sie "konkrete Vertretungsansprüche" formulieren, bedeute das nicht, dass sich diese Akademiker "problemlos orga- nisieren lassen". "Dafür ist eine auf- suchende Interessenpolitik notwendig", raten die Autorinnen und prophezeien einen mühsamen Prozess, um "persönliche Beziehungen" herzustellen - als Voraussetzung, um "Lösungsmöglichkeiten miteinander auszuloten".

Ergebnis der Studie: Bildungs- und hochschulpolitisch sollte noch deutlicher sichtbar werden, dass ver.di sich für diese Beschäftigtengruppen einsetzt. Akademiker müssten Signale erhalten, dass es "sich lohnen könnte, die Gewerkschaften hochschulpolitisch zu unterstützen und zu stärken".

Zwischen W3 und Hartz IV, Andrea Lange-Vester und Christel Teiwes-Kügler,213 Seiten, 28 €, ISBN 978-3-8474-0067-7

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