"Mehr soziale Gerechtigkeit und weniger Armut" - ein breites Bündnis aus Sozialverband Deutschland (SoVD), DGB, Landesarmutskonferenz, Diakonie, Caritas und ver.di forderte auf einer Fachtagung in Hannover einen Politikwechsel.

In Niedersachsen sei die Armut weiter angestiegen, die Spaltung zwischen Arm und Reich wachse kontinuierlich. "Von der neuen Bundesregierung erwarten wir Initiativen, diese Probleme endlich in den Griff zu bekommen", sagte ver.di-Landesleiter Detlef Ahting. In einer gemeinsamen Erklärung wurden ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn, ein öffentlicher Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose sowie die stärkere Regulierung von Befristungen, Werkverträgen oder Minijobs gefordert. "In einem der reichsten Länder der Welt die Armut zu überwinden, ist mit einer anderen Politik möglich", sagte Detlef Ahting.

Ahting nannte auch Fakten zur Leiharbeit: Eine Studie der Bundesagentur für Arbeit im Auftrag des DGB zeige, dass die Verdienstunterschiede auch in Niedersachsen dramatisch sind. Das mittlere Bruttoarbeitsentgelt von Leiharbeiter/innen liege danach 43 Prozent unter dem aller Vollzeitbeschäftigten. Neue Stellen seien vor allem in der Leiharbeit geschaffen worden: Mehr als jede dritte gemeldete offene Stelle in Niedersachsen sei ein Leiharbeitsjob. Innerhalb von elf Jahren seien in Niedersachsen 85 400 Vollzeitstellen abgebaut worden. Die Zunahme der Beschäftigung von 2000 bis 2011 resultiere allein aus sozialversicherungspflichtiger Teilzeitarbeit (ein Anstieg um 150 000 Stellen) sowie weiteren 90 000 ausschließlich geringfügig Beschäftigten. "Die Agenda 2010 war also kein Jobwunder", sagt Ahting.

Demontage solidarischer Sicherungssysteme

Der renommierte Wirtschaftsethiker Professor Friedhelm Hengsbach ging mit der Arbeitsmarktpolitik aller Regierungen der vergangenen drei Jahrzehnte hart ins Gericht. Seiner Meinung nach ist diese Politik "gekennzeichnet von einer völligen Demontage der solidarischen Sicherungssysteme und einer Entregelung sicherer Arbeitsverhältnisse". Politik und Kirche - Hengsbach lebt in einer Jesuitenkommunität - seien eingeknickt vor der Wirtschaft und hätten die Maßstäbe der Sozialethik vergessen. Reichtum sei politisch gewollt entstanden - deshalb müsse jetzt politisch gewollt sein, Reiche stärker zu beteiligen: Hengsbach forderte erneut die Einführung einer Vermögenssteuer.

Im Podiumsgespräch waren sich der DGB-Landesvorsitzende Hartmut Tölle, Hans-Jürgen Marcus, Direktor des Caritasverbandes im Bistum Hildesheim, Martin Fischer, Bereichsleiter beim Diakonischen Werk der Landeskirche, Edda Schliepack, stellvertretende Landesvorsitzende des SoVD Niedersachsen, und Meike Janßen, Landesarmutskonferenz, einig: Der Druck auf die Politik müsse erhöht werden - und zwar egal, wer regiere. Das Land brauche nachhaltige Konzepte und keine Strohfeuer.