Nicht nur in Hessen, bundesweit bleiben 20 Prozent der Stellen in den Krankenhäusern unbesetzt. Mit dem Pflegepersonal wird jongliert, als handele es sich um verzichtbare Inventarmasse. Dies war das Hauptthema des weißen Blocks auf der Frankfurter Demonstration "Flagge zeigen für den Poltikwechsel" Anfang September. 5000 Teilnehmer/innen zählten die sozialen Verbände und die Gewerkschaften. Die Mitglieder im Fachbereich Gesundheit von ver.di Hessen erschienen in weißer Berufskleidung. Sie alle fordern Mindeststandards in der Personalausstattung.

Nach Angaben von ver.di fehlen allein in Hessen 11.000 Kräfte. Mathias Dippel, Konzernbetriebsratsvorsitzender von Gesundheit Nordhessen Holding AG, findet zwar das Investitionsprogramm der Landesregierung nicht schlecht. Was ihn aber ärgert, ist, dass es auf Kosten des Personals geht. Investiert wird in die - meist auch dringend nötige - Renovierung der Krankenhäuser. Nun könnte es passieren, dass in einem frisch renovierten Raum ein Patient liegt, der zusätzlicher Pflege bedarf. Aber: Es wird systematisch am Personal gespart, über alle Bereiche hinweg, zugunsten sicherlich notwendiger Investitionen. Alle Krankenhäuser, die im hessischen Plan sind, erhalten diese Mittel für Investitionen. Zukünftig soll das Geld in Pauschalen verteilt werden. Das Gießkannenprinzip aber habe noch nie etwas bewirkt, betont Dippel. Deshalb stieg bei der Demonstration in Frankfurt aus dem Weißen Block roter Rauch auf: Der Druck muss raus. Denn der ist in den Kliniken bedrohlich.

Hätte Mathias Dippel sich etwas wünschen können, so wären es mehr als 200 Leute gewesen. Aber viele Pfleger/innen arbeiten im Schichtbetrieb. ver.di Hessen beteiligt sich daher an einer Postkartenaktion. Ziel ist es, mindestens so viele Unterschriften zu sammeln, wie Stellen fehlen. In welchen Farben die künftige Landesregierung auch immer gewandet sein mag, sie wird sich diesen Forderungen stellen müssen.

Noch ganz andere Sorgen

Gesundheit ist ein zentrales Thema der Daseinsfürsorge. Aber es gibt noch weitere. Zum Beispiel fragt es sich, wie es für viele Frauen aussehen wird, wenn sie in Rente gehen. Sibylle Lust, stellvertretende ver.di-Landesleiterin, schätzt, dass fast 70 Prozent der Beschäftigten in Minijobs Frauen sind. Fünf Millionen Erwerbstätige in Deutschland haben keine andere als ihre geringfügige Beschäftigung. Sie kommen oft über Jahre hinweg nicht aus dieser Situation heraus. In Bezug auf ihre Alterssicherung sei das eine Katastrophe, so Lust, denn sie sind damit nicht in der gesetzlichen Rente. ver.di will deshalb diese Beschäftigungsform dringend reformieren. "Wir halten uns dabei an den DGB-Vorschlag, wonach es eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten verdienten Euro geben muss", sagt Sibylle Lust.

Der DGB hat ein Konzept entwickelt, das die Bezieherinnen kleiner Einkommen nicht übermäßig belastet. Lust: "Von einer zukünftigen Landesregierung erwarten wir nicht nur, dass sie sich dafür auch im Bundesrat stark macht. Im eigenen Land kann sie durch konsequente Arbeitsmarkt- und Gleichstellungspolitik Anreize schaffen, Teilzeitstellen aufzustocken. Wer behauptet, dieses Konzept fördere die Schwarzarbeit, der handelt zutiefst zynisch angesichts der massenhaften weiblichen Altersarmut, die auf uns zurollt."