Vereinbarkeit von Familie und Beruf - das predigen viele. Die Praxis aber sieht anders aus: Da bleibt häufig nach dem Erziehungsurlaub auch die Kinderbetreuung reine Frauensache. Teilzeitbeschäftigung also eine Rolle der Mütter? "Keineswegs", sagt Jochen Berendsohn, Gesamtpersonalratsvorsitzender der VGH Versicherungen in Hannover. Der 54-Jährige lebt sogar vor, wie man auch als engagierter Gewerkschafter Familie und Beruf unter einen Hut bringen kann.

Berendsohn hat seinen Job als Versicherungskaufmann bei der VGH von der Pike auf gelernt. "Ich kenne viele Bereiche, bin seit fast 25 Jahren Personalrat, davon 20 Jahre Vorsitzender", berichtet er. Der ver.di-Mann ist auch ein später Vater und hat neben zwei erwachsenen Kindern aus erster Ehe noch zwei Nachkömmlinge im Alter von viereinhalb Jahren und 16 Monaten. "Die Rolle der Partner hat sich heute verändert. Männer übernehmen mehr Aufgaben in der Familie und viele wünschen sich, am Großwerden ihrer Kinder teilhaben zu können."

Die vielzitierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei heute mehr als nur Organisation der Kinderbetreuung. "Wir betrachten das Ganze überwiegend aus Unternehmenssicht und weniger aus Sicht der Betroffenen und deren Bedürfnissen", sagt Berendsohn und regt auch in ver.di einen Diskussionsprozess an. Er hat nach den Bedürfnissen seiner Familie gehandelt, sogar schon zum zweiten Mal. Beim ersten Nachkömmling habe er sich die Elternzeit genauso mit seiner Frau geteilt wie jetzt nach der Geburt von Theo. "Ich war jeweils drei Monate raus und habe es genossen", sagt er. Seine Frau habe währenddessen Vollzeit gearbeitet, dann verkürzt. "Stressfrei funktioniert das nur, wenn auch die Unterstützung der Kolleg/innen da ist. Ich konnte mich auf ein prima Team von Personalräten verlassen."

Teilzeit mit Vier-Tage-Woche

Erst seit wenigen Wochen ist er im Job zurück, in Teilzeit mit Vier-Tage-Woche. "Die Möglichkeiten hier bei der VGH sind besonders familienfreundlich, weil man die Möglichkeit hat, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Freizeit umzuwandeln." Der Tarifvertrag schreibt für die Umwandlung eines Monatsgehaltes 22 freie Tage vor. Unterm Strich eine Vier-Tage-Woche, die Gehaltseinbußen sind verschmerzbar.

"Diese Umwandlung von Sondergehältern ist ein sehr gutes Arbeitszeitmodell, das von 2 100 Beschäftigten rund 500 Kolleg/innen nutzen - Männer und Frauen zu fast gleichen Teilen. In normaler Teilzeitarbeit arbeiten über 30 Prozent der Frauen, aber unter zwei Prozent der Männer", so Berendsohn. Und: "Die beste Grundlage für Vereinbarkeit und gleiche Verteilung bei Erwerbsarbeit wäre sicher eine 30-Stunden-Woche als Regelbeschäftigung für alle. Diese Aufgabe ist aber betrieblich nicht zu lösen."