Ausgabe 07/2013
Wissen, wo die Schuhe drücken
Rund um die Uhr viel zu tun: im Briefzentrum am Airport
Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet Firmen wie Lidl, Aldi oder XXXLutz haben dafür gesorgt, dass heute viel mehr Menschen wissen, was Betriebsräte sind. Die teils rüden Methoden, mit denen deren Wahl behindert und gewählte Betriebsräte unter Druck gesetzt wurden, haben das öffentliche Interesse gesteigert und damit - unfreiwillig - Werbung für die Wahl von Interessenvertretungen der Beschäftigten gemacht.
Allerdings gibt es nach wie vor in vielen Betrieben keinen Betriebsrat, denn das Gesetz schreibt die Wahl nicht zwingend vor. Ob es Betriebsräte - im öffentlichen Dienst heißen diese übrigens Personalräte - gibt, entscheiden letztlich die Beschäftigten selbst. Nächstes Jahr werden die Betriebsräte (BR) wieder turnusgemäß neu gewählt. Wo bisher noch kein solches Gremium vorhanden ist, kann es sogar jederzeit gewählt werden.
Zur Wahl stellen kann sich jede und jeder Beschäftigte. Sie oder er sollten allerdings etwas mitbringen: Interesse und die Bereitschaft, sich für die Kolleg/innen einzusetzen. So hat es vor 40 Jahren auch bei Andreas Faltermaier angefangen. Heute ist er Vorsitzender des Betriebsrates bei der Post AG im großen Briefzentrum am Münchner Flughafen mit 3 500 Beschäftigten und einem Zuständigkeitsbereich vom Altmühltal bis zur österreichischen Grenze.
Fürsprecher der Beschäftigten
Das BR-Gremium ist 25 Mitglieder stark, acht davon sind für ihre Betriebsratsarbeit freigestellt. Viel ist das nicht angesichts der personellen Übermacht des Arbeitgebers: "Der Tag fängt oft früh an bei den Briefverteilerinnen und Zustellern und hört spät abends bei der Nachtschicht auf", berichtet Faltermaier, der im Jahr 40 000 km zu den einzelnen Stützpunkten zurücklegt, die über ganz Oberbayern und Niederbayern verstreut sind. "Wir Betriebsräte sind so oft wie möglich vor Ort, damit wir wissen, wo der Schuh drückt."
Andreas Faltermaier
Der drückt besonders bei Fragen der Arbeitsbelastung und der Arbeitszeiten. Andreas Faltermaier und sein Team kämpfen deshalb für Einstellungen und die Übernahme der Ausgebildeten und der befristeten Kräfte und setzen sich für familienverträgliche Schichtzeiten ein. Bei Anita Bachhuber, die sich als freigestellte Betriebsrätin besonders um den Nacht- und Innendienst kümmert, landen wöchentlich mehrere Schichtzeitprobleme: "Auch unsere Niederlassung ist renditegetrieben. Die ständig rigoroser werdenden Vorgaben der Zentrale engen soziales Handeln vor Ort immer mehr ein. Da setzen wir dagegen; ohne uns hätten die Beschäftigten keine Fürsprecher." Problemlöser ist der BR auch bei der Urlaubsplanung: "Es kann zwar nicht immer jeder Wunsch erfüllt werden, aber gerecht muss es zugehen." Das gilt auch für Beförderungen und Höhergruppierungen: Da setzt sich der BR für Chancengleichheit und gegen Diskriminierung ein.
Menschen aus fast 50 Nationen arbeiten bei der Niederlassung Freising zusammen, Toleranz und Kollegialität sind deshalb unabdingbar für ein gutes Betriebsklima. Auch darum kümmert sich der BR - aus Überzeugung.
Faltermaier: "Die rechtlichen Möglichkeiten des BR sind begrenzt. Mit unserer Arbeit geht es zwar den Menschen im Betrieb besser. Aber die wirklich wichtigen Entscheidungen trifft das Unternehmen alleine, ohne Mitbestimmung." Das ist auch der Grund, warum der gesamte Betriebsrat in der Gewerkschaft ist und fleißig Mitglieder wirbt. Die Arbeit bei der Post sei schwer, die Arbeitsbelastung müsse deshalb kleiner, die Arbeitszeit kürzer werden. Zudem sollte jeder anständig bezahlt werden. "Gute Tarifverträge gibt es nicht von selbst, sondern nur mit einer starken Gewerkschaft", begründen Bachhuber und Faltermaier ihr Engagement bei ver.di. Das klingt wie eine Binsenweisheit, hat sich aber nach wie vor noch nicht überall herumgesprochen.