Der Fall Schlecker | Mit der Insolvenz endete 2012 die Geschichte des Drogerie-Discounters Schlecker. Die größten Verliererinnen: Rund 25.000 Beschäftigte, meist Frauen, die oft sogar nur in Teilzeit in den bundesweit bis dahin zu findenden Läden der Drogerie gearbeitet hatten. Jetzt hat Achim Neumann, der für ver.di das Unternehmen bis zum Schluss betreut hat, ein Buch vorgelegt, in dem er akribisch die Geschichte der Firma, aber auch den Kampf der Frauen um Respekt und Würde aufzeichnet. Lebendig werden diese Schilderungen durch viele Beiträge von den Schlecker-Frauen, wie sie sich selbst nennen, aber sie werden auch ergänzt durch viele Fakten und Hintergründe zum Thema Insolvenz und deren rechtlichen und politischen Hintergründe.

Mitte der 1990er-Jahre hatten erste Schlecker-Beschäftigte aufbegehrt gegen die unwürdigen Arbeitsbedingungen. Sie gründeten Betriebsräte, gegen den Widerstand der Geschäftsführung, und sorgten dafür, dass sich ihre Situation Schritt für Schritt besserte. 12.000 Beschäftigte waren 2012 bei ver.di organisiert. Sie waren aber nicht gefeit vor der Pleite des Unternehmens, denn hier hat die Mitbestimmung ihre Grenzen. Auch der Gesamtbetriebsrat und seine Ausschüsse konnten nur die Folgen der Entscheidungen des eingetragenen Kaufmanns Anton Schlecker abfedern, nicht aber sie beeinflussen, denn in dieser Rechtsform war Schlecker noch nicht einmal verpflichtet, eine Gewinn- und Verlustrechnung zu veröffentlichen.

Grundsätzlich sei das ein Manko der Mitbestimmung in Deutschland. Das Buch erhebt auch durchaus politische Forderungen. "In den Schlecker-Auseinandersetzungen verdichteten sich, wie unter einem Brennspiegel, mehrere allgemeine Entwicklungslinien der letzten Jahre. Das Schlecker-Geschäftsmodell stand exemplarisch für die voranschreitende Spaltung am Arbeitsmarkt, für Prekarisierung, Mangel an Planbarkeit des eigenen Lebens, für Unsicherheit in Form von Leiharbeit und sachgrundlosen Befristungen, für sozialversicherungsfreie Minijobs, Armutslöhne heute und Altersarmut morgen", schreibt der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske in seinem Nachwort

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Achim Neumann (Hrsg.): Der "Fall Schlecker". Über Knausern, Knüppeln und Kontrollen sowie den Kampf um Respekt & Würde. Die Insider-Story, VSA-Verlag, Hamburg, 224 Seiten, 14,80 €, ISBN 978-3899655940


Brandt akuell | "Willy wählen" lautete der Schlachtruf, der 1972 in Westdeutschland und Westberlin einer regelrechten Volksbewegung voranging: Sie führte mit 92 Prozent zur höchsten Wahlbeteiligung, die jemals bei einer Bundestagswahl zu verzeichnen war, und brachte der SPD das beste Wahlergebnis aller Zeiten. Gemeint mit dem Schlachtruf war Willy Brandt, seinerzeit erster sozialdemokratischer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Friedensnobelpreisträger und langjähriger SPD-Vorsitzender. Am 18. Dezember wäre Willy Brandt 100 Jahre alt geworden. Albrecht Müller, damals Planungschef in Brandts Kanzleramt und sein Wahlkampfmanager 1972, heute einer der bedeutendsten Politblogger im Internet (www.nachdenkseiten.de), erinnert in einem brandneuen Buch an die infamen Kampagnen gegen den antifaschistischen Widerstandskämpfer, der unter den Nazis im Exil hatte leben müssen. Er erinnert aber auch an die großen gesellschaftspolitischen Fortschritte, die Brandt - teils gegen Intrigen aus den eigenen Reihen - unter dem Motto "Mehr Demokratie wagen" durchsetzen konnte.

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Albrecht Müller: Brandt aktuell, Treibjagd auf einen Hoffnungsträger, Westend Verlag, Frankfurt/Main, 160 Seiten, 12,99 €, ISBN 978-3864890642