Keine Kunst im freien Handel

Auch der Helge-Schneider-Film "Im Wendekreis der Eidechse" wurde von der Filmförderung gefördert

Die derzeit größte gemeinsame Handelsinitiative zwischen der EU und den USA könnte der europäischen Kulturpolitik nach Ansicht von Experten massiv schaden. Sie weisen darauf hin, dass das bilaterale Freihandelsabkommen TTIP auch kulturelle Güter und Dienstleistungen dem Markt überlassen will. Die Ausweitung der neoliberalen Logik auf die Kunst und Kultur bleibt jedoch nicht ohne Widerspruch. In Deutschland haben unter anderem ver.di, die Akademie der Künste und der Kulturrat die Bundesregierung aufgefordert, Schutzregeln für die Kulturbranche durchzusetzen.

Angekündigt hatte das weitreichende Abkommen US-Präsident Barack Obama im Februar dieses Jahres. Das Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP, würde die weltweit größte bilaterale Handelszone schaffen. Das Handelsvolumen beliefe sich auf 500 Milliarden Euro, der Dienstleistungsumfang auf 280 Milliarden Euro.

Buchpreisbindung betroffen

Geht es nach den Autoren des Vertragsentwurfes, wäre die Kultur davon nicht ausgenommen. Mit verheerenden Folgen: Jedwede Förderung von kultureller Produktion in Deutschland könnte von dem US-Vertragspartner oder auch US-amerikanischen Privatunternehmen als "regulatorische Handelsschranke" angegriffen werden. In Deutschland beträfe das etwa die Buchpreisbindung, die Filmförderung oder den verminderten Mehrwertsteuersatz für Kulturgüter.

Der Deutsche Kulturrat wies schon zu Beginn der Verhandlungen im Sommer darauf hin, dass künftig auch Medien betroffen wären. Es gehe daher darum, auch den Schutz audiovisueller Online-Dienste umfassend durchzusetzen. Ähnlich äußerte sich die Akademie der Künste (AdK). Wenn Kreativität eine wichtige Ressource Europas im 21. Jahrhundert sei, dann gelte es, "die mühsam errungenen Strukturen zum Schutz von Kreativwirtschaft und Kunst nicht leichtfertig zu opfern".

Doch die Kontrolle des weitreichenden Abkommens ist schwer. Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Bereichsleiter Kunst und Kultur bei der ver.di, kritisierte "ein hohes Maß an Intransparenz". Offenbar wisse das Wirtschaftsministerium der Bundesrepublik so gut wie nichts über den aktuellen Verhandlungsstand - oder gebe zumindest vor, nichts zu wissen. "Das Parlament in erster Linie, aber auch die Zivilgesellschaft muss daher über den jeweiligen Verhandlungsstand informiert werden", so Bleicher-Nagelsmann. Neben spezifisch deutschen und europäischen Fördermechanismen stehe schließlich auch die Frage des geistigen Eigentums auf der Agenda. "Ein wirkungsvolles Instrument auf völkerrechtlicher Ebene könnte die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen bieten", sagte Bleicher-Nagelsmann.

Kulturelle Vielfalt

Während sich die Bundesregierung im Wahljahr kaum mit der Materie befasst hat, geschweige denn auf die Kritik kultureller Institutionen eingegangen ist, erreichte Frankreich in den laufenden Verhandlungen einen Etappensieg. Mitte Juni wurden "audiovisuelle Dienstleistungen" von der Marktderegulierung ausdrücklich ausgenommen - wenn auch noch nicht endgültig.

"Wir danken der französischen Regierung, dass sie mit ihrer Forderung nach einer Ausnahme des Kultur- und Mediensektors vom Verhandlungsmandat den nun gefundenen Kompromiss erst ermöglicht hat", sagte Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Dass der Kultur- und Mediensektor in das Abkommen nur nach Zustimmung durch die EU-Mitgliedsstaaten aufgenommen werden kann, sei ein Etappensieg für die europäische Kultur. Nun gelte es sicherzustellen, "dass nicht durch die Hintertüre doch noch die kulturelle Vielfalt in Europa ausgehebelt wird", so Zimmermann.

Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske forderte in seinem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, indes verbindliche und durchsetzbare Regelungen zum Schutz und Ausbau von Arbeitnehmerrechten. Schließlich haben die USA von acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation gerade mal zwei unterzeichnet.