Leni Breymaier

Rund 25.000 Beschäftigte bundesweit standen vor dem Nichts, als Schlecker vor knapp zwei Jahren Insolvenz an- meldete. Eine Bürgschaft von 70 Millionen Euro für eine Transfergesellschaft scheiterte. ver.di-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier kritisiert das noch heute: "Dass die Marktfetischisten der FDP die 70 Millionen Euro für eine Bürgschaft verweigerten, war nicht nur unsozial, sondern auch volkswirtschaftlich dumm." Sie schätzt, dass die Schleckerinsolvenz die Steuer- und Beitragszahler bislang über 180 Millionen Euro gekostet hat. Die Gewerkschafterin ist sich sicher, dass "die Rettung eines Unternehmens an einem Fleck mit 25.000 Männern nicht an einer Bürgschaft gescheitert wäre, die auch noch mehrfach alleine durch die Schleckerfirmen in Südeuropa rückgedeckt war."

Heute sind viele der ehemaligen Schlecker-Beschäftigten in Baden-Württemberg zwar nicht mehr arbeitslos gemeldet. Jedoch seien einige in Rente, andere erkrankt und damit nicht durch die Arbeitslosenstatistik erfasst, sagte Wolfram Leibe, Regionalgeschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit in Stuttgart, bei einer Podiumsdiskussion, die ver.di Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung Ende März in Stuttgart organisiert hat. 41 Frauen hätten sich selbständig gemacht - wohl vorwiegend in den zwölf Drehpunkt-Märkten, die durch das baden-württembergische Wirtschaftsministerium gefördert wurden. Weitere 46 werden derzeit umgeschult. Etliche der ehemaligen Schlecker-Angestellten beziehen mittlerweile Arbeitslosengeld II.

Nicht alle erfasst

Breymaier wies darauf hin, dass die offiziellen Zahlen nicht erfassen, ob eine Frau nach einem zwischenzeitlichen befristeten Arbeitsverhältnis erneut arbeitslos geworden sei oder sich gar nicht erst bei der Arbeitsagentur gemeldet habe, weil sie ohnehin keinen Anspruch auf Leistungen gehabt hätte. Elke Lill, Vertreterin des Schlecker Gesamtbetriebsrates im Gläubiger-Ausschuss, monierte, dass Schlecker trotz der hohen Arbeitnehmer- und Umsatzzahlen von einem Einzelkaufmann als "e.K." geführt werden konnte. Der habe nur eingeschränkte Offenlegungsverpflichtungen, kein Kontrollorgan wie einen Aufsichtsrat oder eine Gesellschafterversammlung und keine Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung. Dies müsse geändert werden. Darüber hinaus sei es wichtig, mehr Flexibilität beim Insolvenzgeld-Zeitraum einzuräumen, um die wichtige Suche nach Investoren zu erleichtern.

Rolf Schumacher, Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, merkte an, dass damals alle von der Schlecker-Pleite ‚kalt erwischt‘ worden seien. Niemand habe sich vorstellen können, dass Schlecker nicht einmal eine Hausbank gehabt, sondern alles über Lieferkredite abgewickelt habe. Zukünftig müsse es eine bessere Kontrolle von geografisch weit verzweigten Unternehmen geben. Der Bund dürfe sich als Ansprechpartner nicht aus der Verantwortung ziehen.

Die Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, Katja Mast, betonte, dass es aufgrund des Regierungswechsels die Chance gebe, einige der genannten Empfehlungen umzusetzen. Sie werde sich persönlich dafür einsetzen, dass die Interessen der abhängig Beschäftigten bei der Reform des Insolvenzrechts stärker berücksichtigt würden. Insbesondere wolle sie sich für Qualitätsstandards von Transfergesellschaften, die Reform der Rechtsform von Unternehmen und die Verbesserung des Insolvenz-Zeitraums einsetzen. Sabine Fandrych