PETRA WELZEL ist Redakteurin der ver.di publik

Man kann den jüngsten Weltarbeitsbericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mit zweierlei Maß wahrnehmen. Alles wird gut, scheint der Bericht zu vermitteln, wenn man allein auf die positiven Entwicklungen blickt. Entwicklungs- und Schwellenländer wie Senegal, Peru oder Vietnam sind demnach auf dem besten Wege, die Armutsfalle zu verlassen. In allen drei Ländern ist die Zahl der sogenannten arbeitenden Armen zurückgegangen, weil man dort in gute Arbeitsplätze und ihre soziale Absicherung investiert hat.

Nichts ist aber wirklich gut, wenn man die anderen Zahlen der ILO betrachtet. Demnach haben immer noch mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in den Entwicklungsländern schlecht bezahlte, also prekäre Arbeitsplätze ohne ausreichenden Arbeitsschutz, ohne Arbeitsvertrag und ohne soziale Absicherung. Insgesamt 1,5 Milliarden Menschen in diesen armen Ländern arbeiten als Tagelöhner/innen oder in anderen mies bezahlten Jobs. Und wiederum mehr als die Hälfte von ihnen arbeitet für weniger als zwei US-Dollar am Tag und fällt damit unter die Armutsgrenze.

Vielleicht könnte man mit diesen Zahlen leben, wenn der Trend allerorts aufwärts zeigen würde. Aber das ist nicht der Fall. Dreiviertel der Beschäftigten im südlichen Asien und südlich der Sahara bleibt nichts als prekäre Arbeit. In Nordafrika und im Nahen Osten sind 45 Prozent der Frauen arbeitslos, und auch jeder dritte junge Mensch findet keine Arbeit. In Spanien und Griechenland sind derzeit immer noch über 50 Prozent der Jugendlichen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Und nirgendwo kann der ILO-Bericht Entwarnung geben.

Was soll's, Hauptsache uns geht's gut, hört man hierzulande bei solchen Berichten immer wieder. Aber: In 57 von 106 untersuchten Ländern ist das Risiko sozialer Unruhen angestiegen, in Afrika und im Nahen Osten am höchsten. Das kann uns Wohlstandsbürger/innen nicht egal sein. Es wird auch Folgen für uns haben, ob wir wollen oder nicht.