HENRIK MÜLLER ist Redakteur bei ver.di publik und ver.di news

Das Rentenpaket der schwarz-roten Koalition stand monatelang unter Beschuss - aus zwei diametral entgegengesetzten Richtungen. Die Interessenvertretungen der Kapitalseite fuhren mit Unterstützung der ihnen zuneigenden Wissenschaftler und Medienleute schwerstes Geschütz auf. Keine Behauptung war ihnen zu schräg, kein Rechenexempel zu absurd, um sie nicht im Brustton der Überzeugung öffentlich vorzutragen. Sie wollen jeden noch so zaghaften sozialpolitischen Fortschritt verhindern, weil er nicht in ihre marktradikale Ideologie passt.

Das ist ihnen diesmal zwar nicht gelungen. Aber welches Erdbeben haben wir demnach zu erwarten, wenn es eines Tages eine politische Mehrheit in Bundesdeutschland geben sollte, die Ernst machen würde? Ernst machen mit einer Rentenpolitik, die Altersarmut verhindert, die Kommerzialisierung der Altersversorgung stoppt, den Rentenzugang wieder auf ein verträgliches Lebensalter herabsetzt und ein auskömmliches gesetzliches Rentenniveau sichert. Das alles leisten die jüngsten Rentenbeschlüsse nämlich nicht, Gewerkschaften und Sozialverbände als Interessenvertretungen der Menschen kritisieren das mit allem Recht.

Aber mit der besseren Mütterrente, der vorgezogenen abschlagsfreien Altersrente nach 45 Versicherungsjahren und den leichten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und der medizinischen Rehabilitation zu warten, bis es insgesamt einigermaßen gerecht zugeht, davon hätten die immerhin zehn Millionen Menschen nichts, die die Leistungen jetzt oder bald dringend brauchen. Dieser Meinung sind laut einer Meinungsumfrage von Infratest Dimap jedenfalls auch 73 Prozent der Bundesbürger/innen: Sie halten - dem Propagandagetöse der letzten Wochen und Monate zum Trotz - "die Rente mit 63 nach 45 Berufsjahren für den richtigen Weg".

So nüchtern sieht es auch die führende Sozialpolitikerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Annelie Buntenbach: "Der erste Schritt ist getan. Damit gibt es erstmals seit vielen Jahren wieder Verbesserungen für einen größeren Teil der Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung." Weitere Schritte müssen folgen.