Am 10. Juli hat die britische Gewerkschaftsbewegung ein Machtwort gesprochen. Sieben Gewerkschaften streikten gemeinsam. Mit über zwei Millionen Streikenden und Zehntausenden Demonstranten in allen größeren Städten in England, Wales und Nordirland wurde eine Woche vorher gerechnet. Der öffentliche Dienst in Kommunen und staatlichen Behörden, die Feuerwehr und die Schulen, selbst Teile der Londoner U-Bahn sollten an diesem Tag stillstehen.

Katastrophales Sparprogramm

Die Gewerkschaften, darunter die Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS, die Gewerkschaft für kommunale Angestellte UNISON und die Arbeitergewerkschaften UNITE und GMB, wollten an diesem Tag ein Zeichen setzen. Den meisten geht es um eine Lohnerhöhung. Die ist auch bitter nötig, denn seit 2010 herrscht in Großbritannien der "pay freeze" - die Gehälter im öffentlichen Dienst werden gar nicht mehr, beziehungsweise nur um ein Prozent pro Jahr erhöht.

Dieses Einfrieren der Gehälter ist Teil des Sparprogramms der britischen Koalitionsregierung unter Premierminister David Cameron. Noch ist nicht einmal die Hälfte der Einsparungen verwirklicht, doch die Ergebnisse sind bereits katastrophal. In Manchester haben 4000 kommunale Beschäftigte ihren Job verloren. Eine Folge davon sieht man bei der Müllabfuhr. Hier wurde das Personal derart ausgedünnt, dass der Rest mit der Arbeit nicht mehr nachkommt; selbst in der Innenstadt stapeln sich die Müllberge. Der Stadtrat reagiert auf seine Weise: Die Müllabfuhr soll jetzt privatisiert werden. Kein Wunder, dass nun auch Müllwerker beim Streik dabei sind.

Zum "pay freeze" gehört auch der Verlust von Zusatzleistungen. Viele Kommunen haben die Pendlerpauschalen gestrichen. Dafür müssen Beschäftigte jetzt für ihre Dienstparkplätze bezahlen. Überstunden werden nicht mehr bezahlt, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist stark eingeschränkt, Urlaubsgeld ist gestrichen worden.

Immer mehr arbeitende Arme

In Großbritannien gibt es 4,8 Millionen Menschen im Niedriglohnbereich. Zehn Prozent von ihnen arbeiten für die Kommunen. Seit 2010 sind die Löhne kommunaler Beschäftigter um 18 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum stiegen die Gaspreise um 57 Prozent. Beschäftigte im öffentlichen Dienst gehören längst zu den "working poor", den arbeitenden Armen.

Die Bezahlung war bei dem Streik daher das einigende Element. Die Gewerkschaften UNITE, UNISON und GMB haben für die kommunalen Beschäftigten eine gemeinsame Gehaltsforderung aufgestellt: Ein Pfund mehr pro Stunde soll es ab 2015 für jeden geben. Die PCS fordert für ihre Mitglieder bei den staatlichen Behörden fünf Prozent mehr.

Bei den Feuerwehrleuten geht es zusätzlich um die Lebensarbeitszeit. Die Regierung möchte Feuerwehrleute bis zum 68. Lebensjahr arbeiten lassen, bevor ihnen die volle Rente zusteht. Dazu sagt Matt Wrack, der Vorsitzende der Feuerwehrgewerkschaft FBU: "Den Menschen möchte ich sehen, der sich freut, wenn 65-jährige Feuerwehrleute zur Rettung heranhumpeln."

Besonders hart erwischt es auch die Lehrer. Geht es nach Bildungsminister Michael Gove, gibt es für sie bald kein landesweit gültiges Lohnsystem mehr. Dann sollen Schulleiter selbst bestimmen dürfen, welcher Lehrer wieviel Lohn bekommt. Deshalb ist auch die Lehrergewerkschaft NUT am 10. Juli dabei.

In zehn Monaten wird in Großbritannien gewählt. Die britische Regierung wird versuchen, bis dahin die Lage auszusitzen. Ein Regierungswechsel ist nicht sicher. Denn der Enthusiasmus für die Labour-Oppositionspartei ist in der Bevölkerung gering. Kein Wunder: Deren Parteichef Ed Miliband ließ auf dem Kongress der Gewerkschaft GMB ausrichten, man werde den Streik am 10. Juli nicht unterstützen.

Christian Bunke