Das haben sich die streikenden Pflegekräfte verdient: mehr Geld und Anerkennung

von Birgit Tragsdorf

Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen - Ein Monatsgehalt von 1551 Euro für eine examinierte Pflegekraft bei einer 40-Stunden-Woche hat mit Wertschätzung nichts zu tun. Weder für die Pflegenden noch für die Bewohner eines Heimes. Und da der Arbeitgeber in der Tarifrunde eine Steigerung von 96 Euro für ausreichend hielt, gingen die Beschäftigten der Curanum Seniorenresidenz "Am Schwanenteich" am 10. Mai in Zwickau auf die Straße und erklärten: "Mit uns nicht mehr. Wir fordern einen Tarifvertrag mit erheblichen Steigerungen."

Fast zeitgleich unterzeichnete die sächsische Staatsministerin Christine Clauß, CDU, mit Vertretern der Pflegekassen, der Leistungserbringer und des kommunalen Sozialverbandes das Positionspapier "Pro Pflege Sachsen" und sagte: "Wir brauchen eine höhere Wertschätzung der Pflegeberufe. Und Wertschätzung zeigt sich nicht zuletzt auch im Portemonnaie."

Dass die Realität eine andere ist, wissen nicht nur die 60 Beschäftigten bei Curanum in Zwickau. Sie fassten Mut und streikten. Als die Geschäftsführung auf Warnstreiks nicht reagierte, folgte der Erzwingungsstreik. Vom 10. Mai bis zum 4. Juni standen sie vor dem Tor ihres Pflegeheimes. Es war für alle Streikenden und auch für die Bewohner ein sehr emotionaler Schritt. Die Nähe und Bindung durch die langen Zeiträume der Betreuung machte es ihnen richtig schwer. Sie luden die Heim-Bewohner zu einem gemeinsamen Frühstück ein, um ihnen ihre Lage zu erklären und waren erleichtert, als sie auf Verständnis stießen.

Yvonne Schlosser ist Betriebsrätin und fasst zusammen, was ihre Kolleg/innen bewegte: "Es ging uns natürlich um eine bessere Bezahlung, wir wollten aber auch eine gute personelle Absicherung der Dienste. Die durch die Heimleitung erzwungenen Sparmaßnahmen gehen auf Kosten der Beschäftigten und der Bewohner." Es weckte Zorn, dass sich die Heimleitung auch noch damit brüstete, wie gering sie die Kosten bislang halten konnte, während das Pflegepersonal um so banale Dinge wie neue Decken oder Klobürsten kämpfte.

In den 26 Tagen ihres Streikes in einem solch sensiblen Bereich wie der Altenpflege haben die Zwickauer einiges erfahren müssen. Wie über die Hintertür Streikbrecher ins Haus geholt wurden, wie Kolleginnen von anderen Curanum-Standorten aus München, Bremen und Greiz mit großem Kostenaufwand geordert wurden. Und sie erfuhren auch, wie weit entfernt sie mit ihrem Einkommen von vergleichbaren Pflegeeinrichtungen im Curanum-Konzern sind. In einem nahen Heim in Greiz verdienen die Kolleg/innen 300 Euro mehr.

Viel kam zusammen, was die Entschlossenheit der Zwickauer stärkte. Die Auftritte der Geschäftsführung in der Öffentlichkeit gehörten dazu: Die Kaufkraft in Zwickau sei niedrig, das rechtfertige die schlechte Bezahlung. Pfleger Jens Appel reagiert darauf mittlerweile empört: "Die Kosten für Miete, Strom, Wasser sind für uns hoch und auch nicht geringer als beispielsweise in Hof. So viele Jahre nach der Wende geht mir die Ost-West-Debatte bei der Begründung dieser erheblich schlechteren Bezahlung auf die Nerven."

Die Beschäftigten bei Curanum in Zwickau haben die Auseinandersetzung gewonnen. Mit Engagement, mit Mut, mit Unterstützung der ver.di-Sekretäre und mit der Mobilisierung der Öffentlichkeit. "Ein erfolgreicher Streik in einer Pflegeeinrichtung ist möglich, wenn auch sehr emotional. Diese Erfahrungen von Zwickau sind ein Signal in der Branche. ver.di hat sich Respekt für weitere Verhandlungen erkämpft", sagt ver.di-Verhandlungsführer Bernd Becker rückblickend.

Tarifgerechte Bezahlung und Pflegeschlüssel sind die Knackpunkte

Das Thema Pflege wurde in den letzten Wochen verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert. Die Forderungen an die Politik und die Kostenträger: die Veränderung des Pflegeschlüssels und eine tarifgerechte und wirtschaftlich angemessene Bezahlung des Pflegepersonals. Die hohe Fluktuation und der Krankenstand weisen deutlich darauf hin, dass eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Gesundheitsvorsorge notwendig ist. Auch das gehört dazu, um eine Arbeit in der Altenpflege attraktiv zu machen und eine Abwanderung der in Sachsen ausgebildeten Pflegekräfte zu verhindern.

Annegret Bölk arbeitet in Weißwasser im Kursana Domizil. Hier, nahe der polnischen Grenze, sind einige Bedingungen anders. Die Zeiten aber sind längst vorbei, als die Arbeitgeber erklärten, sie könnten kündigen, es stünden 100 Arbeitssuchende vor der Tür. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal ist gestiegen. Die Bezahlung in Weißwasser ist vergleichbar mit dem in Zwickau erkämpften Tarifabschluss.

Betriebsrätin Annegret Bölk ergänzt die inzwischen abgeschlossenen betrieblichen Vereinbarungen: Zuschüsse zu Kinderbetreuungskosten, familienfreundliche Regelungen, Beteiligung an der Altersvorsorge und eine Vereinbarung zur Dienstplanregelung. Auch die bei Kursana angebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten gehören dazu.

Der Tarifabschluss

Ab 1. Juli 2014 werden 350 Euro im Monat mehr für eine/n Altenpfleger/in plus einer Einmalzahlung von 500 Euro gezahlt. Eine Pflegehelfer/in erhält 250 Euro im Monat mehr und eine Einmalzahlung von 350 Euro.