ver.di tritt gegen Befristungen an – auch bei der Deutschen Post AG

von Renate Bastian

Sommerloch? Das ist für ver.di-Landesleiter Jürgen Bothner ein Fremdwort. Auch in diesem Jahr ging er im August wieder zwei Wochen auf Tour. Denn das verschafft ihm Gelegenheit, "Beschäftigung, die eher im Schatten der Arbeitswelt liegt, im Sommer anzustrahlen." Erste Station: die Wiesbadener Busbetriebe ESWE Verkehr. Dort werden gerade Fehler der Vergangenheit korrigiert. Die ehemals private Busgesellschaft WI-Bus wird mit der öffentlichen ESWE zusammengeführt. Das heißt auch, dass es keine unterschiedliche Bezahlung mehr geben darf. Jürgen Bothner spricht sich einmal mehr dafür aus, die Be- deutung des öffentlichen Nahverkehrs zu würdigen. "Wir müssen uns als Gesellschaft darüber verständigen, was uns öffentliche Daseinsvorsorge wert ist."

Weiter führte der Weg des Landes-leiters nach Ginsheim-Gustavsburg zu einer neuen Zustellbasis der Deutschen Post AG. Dort glitzert die Fassade, drinnen ist es für einen Teil der Beschäftigten eher dunkel. Am Gebäude alles gelb mit roter Schrift, DHL, in der nagelneuen Halle, der Abteilung 36, blitzt das Aluminium. Aus großen Lichtschächten in der Blechdecke strömt Sonnenlicht hinunter auf die "Rutschen", wie die langen Laufbänder genannt werden. 9 000 bis 10 000 Päckchen kommen hier täglich durch. Sie werden von großen LKWs per Hand entladen, automatisch gescannt und dann gezielt zu den Lieferwagen der Zusteller transportiert. Die bestücken ihr Fahrzeug selbst. Denn alles muss für die Tour genau geordnet sein. Ein Griff nach dem Paket, abliefern, weiter.

Genau 82 Beschäftigte arbeiten in Ginsheim-Gustavsburg. Aber 33 von ihnen haben nur einen Zwei-Jahres-Vertrag. Das ist eine besonders hohe Quote. "Bis der Fahrer Routine hat und seinen Bezirk gut kennt, das dauert ein halbes Jahr", berichten die Betriebsräte. "Umso ärgerlicher, dass die Post die Kollegen nur noch befristet einstellt. Wenn sie sich qualifiziert haben, müssen sie schon bald wieder gehen."

Diese Geschäftspolitik der Befristung begreift der Betriebsrat als Retourkutsche des DHL-Vorstandes auf die Weigerung von ver.di, Gehaltseinbußen in Tarifverträgen festzuschreiben. "Der DHL-Vorstand ist der Ansicht, Postler verdienen zu viel. Warum aber sollten Gewerkschafter einer Gehaltskürzung zustimmen, wenn sie gute Arbeit leisten und es dem Unternehmen gutgeht", fragen die Betriebsräte, die sämtlich ver.di-Mitglieder sind. Sie haben es mit allen Aspekten von Befristung zu tun. So verdienen diese Beschäftigten weniger, sind eher bereit, länger zu arbeiten, und auch sonst sehr flexibel. Denn sie hoffen auf eine Entfristung nach den ersten zwei Jahren sachgrundloser Befristung und auch am Ende jedes weiteren Vertrags.

Die bange Hoffnung auf eine Festanstellung

"Die Post nutzt die Situation aus", stellt Jürgen Bothner fest. "In einem normalen Unternehmen gibt es ein halbes Jahr Probezeit und dann die unbefristete Festanstellung. Die Post aber will noch höhere Profite machen auf der Grundlage prekarisierter Arbeitsverhältnisse. Das ist unanständig." Es würden schon mal falsche Versprechungen gemacht, oder es werde gezielt etwas verschwiegen. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass der Arbeitgeber den befristet Beschäftigten freistellen muss, wenn der sich drei Monate vor Ablauf des Arbeitsvertrags pflichtgemäß beim Arbeitsamt melden will. Das kann er aber nur tagsüber tun, also während der Arbeitszeit. Jürgen Bothner: "Der Arbeitgeber muss dafür bezahlt freistellen, das ist eindeutig per Gesetz geregelt."

Aber trotz dieser klaren rechtlichen Lage entstehen Konflikte. Denn die Hoffnung auf die Festanstellung bestimmt das Verhalten des Beschäftigten. Besteht er auf seinem Recht, fürchtet er, der Arbeitgeber könnte das als mangelndes Interesse an der Arbeit auslegen. Aber er muss sich melden, wenn er keine schriftliche Zusicherung bekommt, dass er übernommen wird. "Das ist ein risikoreiches Psychospiel", so der Betriebsrat, "denn meldet sich der Beschäftigte nicht bei der Agen- tur, riskiert er eine dreimonatige Sperre des Arbeitslosengeldes." ver.di hat sich zum Ziel gesetzt, die Befristeten auf den Stand der ordentlich Beschäftigten zu bringen. Und das nicht nur in Gustavsburg, sondern auch in Nord- und Osthessen steht diese Aufgabe an.