Jeder Sechste armutsgefährdet

Heike Langenberg ist Redakteurin der ver.di publik

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Das ist ein abgedroschenes Bild, aber es trifft die Situation in Deutschland leider immer noch. Der Abstand zwischen Arm und Reich wächst von Jahr zu Jahr. In kaum einem anderen Industrieland ist er in den vergangenen 15 Jahren stärker gewachsen als in Deutschland.

Das führt nicht nur zu sozialen Verwerfungen. Auch gesamtwirtschaftlich betrachtet hat der wachsende Abstand negative Folgen. Denn dass immer mehr Menschen nicht einmal mehr genug Geld für das Lebensnotwendige haben, ist auch schlecht für die Binnennachfrage. Viele Reiche dagegen wissen gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Für sie lohne es sich nicht mehr, in neue Maschinen oder Gebäude zu investieren, haben Wissenschaftler des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung festgestellt, mit diesen Anlagen ließen sich bei schwacher Binnennachfrage keine Gewinne erzielen. Stattdessen legen die Reichen ihr Geld auf den Finanzmärkten an. Mit Finanzinstituten haben die vom unteren Ende der Verteil-Skala höchstens noch Kontakt, wenn sie weitere Kredite aufnehmen müssen, sofern das überhaupt noch geht.

Ein Ende dieses krassen Auseinanderdriftens ist nicht in Sicht. Jeder Sechste in Deutschland ist laut Statistischem Bundesamt armutsgefährdet. 16 Prozent der Deutschen sagen, dass sie sich eine Altersvorsorge nicht leisten können. Die geringfügige Beschäftigung hingegen wächst, auch, weil mittlerweile 2,35 Millionen Menschen neben ihrem sozialversicherungspflichtigen Hauptjob noch einen Minijob ausüben müssen, um über die Runden zu kommen. Diese Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. International führende Ökonomen sehen in der wachsenden Ungleichheit zwischen Arm und Reich eine der Ursachen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 und 2009. Ein Alarmsignal, Gegensteuern dringend nötig.