Parallel zu den US-Kongresswahlen haben die Wähler/innen in vier Bundesstaaten im November für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns gestimmt, in Alaska, Arkansas, Nebraska und South Dakota. Die Löhne sollen dann je nach Bundesstaat zwischen 8,50 und 9,75 Dollar liegen. Doch die Steigerungen hinken der Forderung von 15 Dollar pro Stunde weit hinterher.

Die mittlerweile US-weite Bewegung für 15 Dollar und für das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, entstand im Herbst 2012. Damals unterstützte die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU New Yorker Beschäftigte großer Fast-Food-Ketten in ihrem Protest auf den Straßen von Manhattan. Eine der Gallionsfiguren der 15-Dollar-Bewegung, die gebürtige Inderin Kshama Sawant, sagt über diese Proteste: "In Seattle hatten wir den Eindruck, dass die Forderung der New Yorker Fast-Food-Beschäftigten viele Lohnabhängige beflügeln kann, für die Forderung zu kämpfen. Sie ist ambitioniert genug, um Menschen auf die Straße zu bringen, aber keine Illusion." In Seattle kam es dann zu zwei politischen Überraschungen. Im Herbst 2013 wurde die Sozialistin Sawant in den Stadtrat gewählt, kein halbes Jahr nach ihrer Vereidigung verbuchte sie den ersten großen Erfolg: Nachdem sich massenhaft Menschen an Demonstrationen für den Mindestlohn beteiligt hatten, wurde in Seattle die schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar im Jahr 2018 beschlossen. Dieser Erfolg der 15-Dollar-Bewegung konnte jetzt in San Francisco wiederholt werden.

Wenn der Lohn nicht reicht

Doch die Lücke zwischen Löhnen, mit denen man über die Runden kommen kann, und denen, die gezahlt werden, ist in den USA groß. Die SEIU zitiert eine Studie, nach der man in Denver mindestens 21 Dollar pro Stunde verdienen muss, um ein Auskommen zu haben. Der Durchschnittslohn in der Fast-Food-Branche liegt dort aber bei 8,50 Dollar.

Andy Jacob, SEIU-Organizer für Fast-Food-Beschäftigte im Bundesstaat Colorado, sagt: "Von einem Leben kann eigentlich nicht die Rede sein. Die Beschäftigten der Fast-Food-Industrie arbeiten bis zu 80 Stunden in der Woche. Sie haben lange Anfahrtszeiten, weil sie außerhalb wohnen, sie haben zwei oder drei Fast-Food-Jobs. Da die Dienstpläne sich permanent ändern, ist das schwer abzustimmen. Sie sind nicht krankenversichert, oft überschuldet und ohne soziales Leben jenseits des Jobs."

Bei einer Demonstration in Denver bestätigte die 50-jährige Maria Lopez diese Situation. Sie arbeite seit fünf Jahren in einer Fast-Food-Kette und könne ihre Miete nur mit zwei Monatsgehältern bezahlen. Oft müsse sie entscheiden, ob sie die Stromrechnung begleiche oder Essen kaufe. "Arztbesuche sind Luxus, den ich mir nicht leisten kann." Andy Jacob: "Einen anderen Ausweg, als für höhere Löhne zu streiten, gibt es nicht. Stillhalten ist keine Alternative."

Im Herbst kam es in vielen Städten der USA zu Streiks und Blockaden von Fast-Food-Beschäftigten, bei denen zirka 400 Beschäftigte festgenommen wurden. Die entschlossenen Aktionen und Blockaden großer Verkehrsadern waren öffentlichkeitswirksam, aber für die Beschäftigen riskant. Die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft gibt es in der Fast-Food-Industrie nicht, dadurch auch keinen effektiven Schutz. Denn nach US-Arbeitsrecht sind Gewerkschaften nur zugelassen, wenn sich die Mehrheit der Betriebsangehörigen in einer Wahl dafür ausspricht. Bei hoher Fluktuation, Teilzeitbeschäftigung und Einschüchterungsversuchen seitens der Arbeitgeber ist eine erfolgreiche Organisierungskampagne in den Schnellrestaurants kaum zu erreichen. Grace Ramirez, hauptberufliche SEIU-Organizerin in Colorado, sagt: "Es kann lange dauern, ehe wir im Fast-Food-Bereich nennenswerte Erfolge sehen, vielleicht fünf oder zehn Jahre."

Die Forderung nach 15 Dollar Mindestlohn hängt in den USA bislang von ihrer Umsetzung in den Bundesstaaten oder Großstädten ab. Die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich indessen. Seit 1980 ist das Durchschnittseinkommen des reichsten Prozents der Bevölkerung um 175 Prozent gestiegen. 90 Prozent der Beschäftigten hatten keinen Reallohn-Zuwachs. Eckhard Geitz