PAPIERVERARBEITUNG

Andreas Fröhlich ist bei ver.di für die Tarifpolitik bei Druck und Papier verantwortlich

Nur mal angenommen: Der Chef des Arbeitgeberverbandes nimmt Unternehmer Müller zur Seite: "Bei aller Wertschätzung: Wir möchten Sie dringend bitten, unseren Tarifvertrag anzuwenden. Sie sorgen für enorme Unruhe auf dem Markt. Durch die niedrigen Löhne, die Sie Ihren Mitarbeitern zahlen, bringen Sie die ganze Branche in Verruf. Und mit Ihrer Billigstrategie entwerten Sie unsere Produkte und erst recht die Arbeit, die geleistet wurde. Und Sie stören den Wettbewerb. Letztlich schaden Sie uns allen." Unternehmer Müller wird blass, so hat noch keiner mit ihm gesprochen.

Dabei wäre das bitter nötig. Denn es gibt immer mehr Müllers, die sich aus der Tarifbindung stehlen. Mit dem Ziel, Kosten zu senken. Und zwar zu Lasten der Beschäftigten. Die müssen länger arbeiten als mit Tarifvertrag, verdienen weniger, bekommen kein Weihnachts- und kein Urlaubsgeld. Der Wettbewerb findet nicht über herausragende Produkte und exzellente Dienstleistungen statt, sondern über niedrige Lohnkosten.

Genau das ist die Situation, die sich zurzeit beispielsweise in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie zeigt, besonders dort, wo Verpackungen hergestellt werden - von der Safttüte über das Schokoladeneinwickelpapier bis zur Verpackung für den Lkw-Motor. Während es eine Reihe von Unternehmen gibt, die ordnungsgemäß nach ver.di-Tarif zahlen, speisen die vielen Müllers der Branche ihre Beschäftigten mit Löhnen ab, die bis zu einem Drittel darunter liegen. Und bringen damit auch die Unternehmen unter Druck, die sich an Tarife halten.

Das kann man beklagen und verwerflich finden. Besser, man unternimmt etwas dagegen: ver.di und Arbeitgeberverband stellen einen Antrag beim Bundesarbeitsministerium, damit die Tariflöhne in der Papierverarbeitung allgemeinverbindlich werden. Soll heißen: Müller und alle Unternehmen der Branche müssen Tariflöhne zahlen, ob sie nun Mitglied im Arbeitgeberverband sind oder nicht. Genau dazu hat ver.di den Arbeitgeberverband der Papier- und Kunststoffverarbeitung aufgefordert. Doch der ziert sich noch und will erst ausführlich mit den Unternehmern diskutieren. Wozu? 100 000 Beschäftigte bekämen den gleichen Lohn und damit die gleiche Wertschätzung. Das haben sie verdient.