Ausgabe 08/2014
Ein Anschlag auf demokratische Freiheiten
Seit einiger Zeit führen die EU und die USA mit 21 weiteren "willigen" Staaten geheime Verhandlungen in Genf über den Handel mit Dienstleistungen und seine Öffnung für private internationale Investoren unter dem Namen Trade in Services Agreement (TiSA). Diese Staaten sind vielfältig durch Freihandelsabkommen miteinander verbunden und kontrollieren bereits mehr als zwei Drittel des Welthandels mit Dienstleistungen. Ideengeber und treibende Kräfte hinter den Verhandlungen sind die privatwirtschaftlichen Organisationen US Coalition of Service Industries (CSI) und die Global Services Coalition (GSC), die sich beide weltweit für Privatisierungen einsetzen.
Insider-Informationen über die Verhandlungen geben Anlass zur Besorgnis; denn hier geht es um mehr als Handel. Private Direktinvestitionen sollen gefördert und geschützt - demokratische Entscheidungen zum Schutz von Arbeitnehmern, Verbrauchern, Umwelt und privaten Daten beschränkt werden. Das Mandat der Teilnehmerländer soll darin bestehen, das jeweilige Höchstmaß an Marktöffnungen aus ihren Handels- und Investitionsabkommen anzubieten. Alle bisherigen "Liberalisierungen" würden dadurch noch übertroffen.
Ausländische Unternehmen werden inländischen gleichgestellt. Folge: Subventioniert eine Kommune etwa öffentliche Dienste, dann bekommen private Konzerne das Recht auf entsprechende "Ausgleichszahlungen". Alle nicht ausdrücklich von der Marktöffnung ausgeschlossenen Dienstleistungen sollen automatisch der "Liberalisierung" zum Opfer fallen. Das würde auch demokratische Entscheidungen zukünftig gewählter Regierungen binden - was für unsere internationale Gewerkschaftsföderation PSI völlig unannehmbar ist.
Ein weiterer Anschlag auf demokratische Freiheiten sind sogenannte Stillstands- und Sperrklauseln, die die Re-Kommunalisierung privater Dienste grundsätzlich ausschließen - selbst dann, wenn sie sich als gescheitert erwiesen haben. Die TiSA-Unterhändler halten viele innerstaatliche Regeln für "Handelshemmnisse", die auf den Prüfstand gehören und abzubauen sind. Als PSI sind wir überzeugt, dass unsere Arbeitsschutzgesetze, Umweltschutzbestimmungen, Verbraucherschutzregeln, Normen für Wasserqualität, Lizenzen für Gesundheitseinrichtungen, kommunale Raumordnungen, Bestimmungen zu Abfallbeseitigung und Kraftwerken keinesfalls von internationalen Ausschüssen, unter Einfluss von Lobbyisten, auf ihre "Notwendigkeit" hin überprüft werden dürfen.
Nach unserer Überzeugung müssen öffentliche Dienste grundsätzlich von Handelsabkommen ausgenommen sein. Wir werden mit unseren Mitgliedsgewerkschaften, zu denen auch ver.di zählt, und mit hunderten zivilgesellschaftlichen Organisationen aus aller Welt solange Widerstand gegen TiSA leisten, bis die Unterhändler ihren Angriff auf unsere öffentliche Daseinsvorsorge und demokratischen Errungenschaften aufgeben. Bis dahin müssen wir weiterhin über die Geheimverhandlungen aufklären.
Mehr zu TiSA: www.world-psi.org
Jürgen Buxbaum ist Koordinator für multinationale Unternehmen bei der Internationalen Gewerkschaftsföderation der Öffentlichen Dienste (PSI) mit 20 Millionen Mitgliedern in 150 Ländern.
Ein Kommentar von Jürgen Buxbaum