"Klein Adolf", der Beamte

Ausführlich hat sich der hessische ver.di-Landesbezirksvorstand über die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses im Wiesbadener Landtag informieren lassen. Hermann Schaus, Landtagsabgeordneter der Linken und Vertreter seiner Fraktion im Ausschuss, berichtet, dass das Gremium am 19. Februar 2015 - erst neun Monate nach seiner Einsetzung durch SPD und Linke - zu seiner ersten öffentlichen Sitzung habe zusammentreten können. Bis dahin habe man viele Hürden überwinden müssen. Von einem gesteigerten Interesse der schwarz-grünen Landesregierung an Aufklärung könne keine Rede sein.

Hessen spiele aber im NSU-Komplex eine wichtige, vielleicht zentrale Rolle, sagt Schaus, der von Beruf Gewerkschaftssekretär bei ver.di ist. Nach dem letzten rassistischen NSU-Mord 2006 in Kassel hätten krasse "Ermittlungspannen" begonnen. Ein dubioser Geheimdienstler mit dem Spitznamen "Klein Adolf" sei unmittelbar am Tatort gewesen. "Statt zur Aufklärung beizutragen, log er sich nachweislich durch Gespräche und Vernehmungen und ist immer noch als Beamter beim Regierungspräsidenten in Kassel tätig", so Schaus.

Rechte Gewalt in Hessen

Zudem habe es während der Rückkehr von einer antifaschistischen Veranstaltung aus Dresden einen Angriff auf einen DGB-Bus gegeben und rassistische Schmierereien am Kasseler Gewerkschaftshaus. Allein im November 2014 waren in Hessen 60 rechte Gewalttaten zu verzeichnen.

Weil der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, einen Geheimdienst-Skandal mit allen Mitteln habe vermeiden wollen, so Hermann Schaus weiter, seien "Klein Adolf" und seine V-Leute gedeckt und alle Hinweise auf das rechte nordhessische Milieu ignoriert worden: "Im NSU-Abschlussbericht des Deutschen Bundestags, beschlossen von allen Fraktionen, wird Volker Bouffier persönlich die Verantwortung für die Beeinträchtigung der NSU-Ermittlungen in Kassel zugewiesen."

Schaus blickt auch nach Thüringen: "Da die dortigen Sicherheitsbehörden in den 1990er Jahren durch Berater aus Hessen aufgebaut wurden, sind sie ebenfalls zentrale staatliche Akteure beim NSU-Komplex im Nachbarland. Zudem war die hessische Nazi-Szene eng mit dem NSU-Umfeld verbunden."

Trotz vieler Blockaden ist Hermann Schaus zuversichtlich: "Der Ausschuss ist da, er arbeitet, er bekommt Akten und wird weiter gehen können als der Bundestag und der NSU-Prozess jemals zuvor." Ob wirklich Licht in das Dunkel des hessischen NSU-Netzwerkes gebracht werden könne, bleibe abzuwarten, so Schaus: "Es aber nicht zu versuchen, wäre nicht nur gegenüber den NSU-Opfern, sondern angesichts täglicher Nazi-Gewalt auch allgemein unverantwortlich."