Wer ins Jobcenter geht, ist oft auch auf Jobsuche. Doch auch die Vermittler/innen, die dem Suchenden gegenüber sitzen, könnten in Gedanken schon bei ihrem nächsten Bewerbungsgespräch sein. Viele Jobcenter-Beschäftigte aller Bereiche haben einen befristeten Vertrag. In den 303 Jobcentern bundesweit, die die Bundesagentur für Arbeit gemeinsam mit kommunalen Trägern betreibt, sind knapp zehn Prozent aller Stellen befristet, oft sachgrundlos.

Hinter diesem Durchschnittswert stehen Jobcenter, die ohne sachgrundlose Befristungen auskommen ebenso wie solche, bei denen der Anteil immer noch über 30 Prozent liegt, sagt Uwe Lehmensiek. Er ist Personalratsvorsitzender im Jobcenter Region Hannover und Vorsitzender einer Arbeitsgemeinschaft aller Personalratsvorsitzenden in den gemeinsamen Einrichtungen. Bei deren Treffen stehen Befristungen häufig auf der Tagesordnung. Ihre Arbeit hat Erfolg, vor einigen Jahren war der Befristungsanteil noch deutlich höher.

"Vor allem in den Ballungsräumen gibt es Probleme", sagt der Personalratsvorsitzende. Die Dauer sachgrundlos befristeter Verträge ist per Gesetz auf zwei Jahre beschränkt. In einem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht 2014 klargestellt, dass es nicht möglich ist, diese Befristungen zu umgehen, in dem die Betroffenen erst zwei Jahre von der Bundesagentur und dann zwei Jahre von der Kommune für die Arbeit im Jobcenter angestellt werden. Das hatte in der Vergangenheit dazu geführt, dass Beschäftigte vier Jahre befristet auf ein und dem selben Arbeitsplatz gearbeitet haben. Einziger Unterschied war, dass die kommunalen Beschäftigten in den Jobcentern bei gleicher Tätigkeit schlechter bezahlt werden.

Mittlerweile gibt es eine Weisung der Bundesagentur, nach der jede Vorbeschäftigung in einem Jobcenter eine erneute sachgrundlos befristete Beschäftigung ausschließt, auch in einem anderen Jobcenter. Damit werde weiterhin ein hoher Verlust an Kompetenz in Kauf genommen, so Lehmensiek: "Es handelt sich um sehr komplexe Arbeitsgebiete." Routiniert eigenständig arbeiten könne man dort nach anderthalb Jahren. Doch dann müsse sich die befristet Beschäftigten schon wieder mit der eigenen Jobsuche beschäftigten. "Da werden unglaublich viele Leute verheizt", kritisiert Lehmensiek. Hinzu komme, dass ein Teil der Arbeitszeit fest angestellter Kolleg/innen dafür verwendet werde, immer wieder neue Kolleg/innen einzuarbeiten. Das ständige Nachbesetzen befristeter Stellen ist für ihn "betriebswirtschaftlicher Unsinn".

Betreuung wird gebraucht

Eine Begründung für die Befristungen ist, dass die Zahl der Arbeitslosen schwankt. Allerdings ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen recht konstant, und je länger jemand arbeitslos ist, desto mehr Betreuung braucht er. "Wir müssten nicht nur über Entfristungen reden, sondern auch über mehr Personal", sagt Lehmensiek. "Es gehört sich nicht für eine Behörde, die für die Stabilisierung des Arbeitsmarkts zuständig ist, dass sie sich so verhält wie eine Heuschrecke mit prekären Arbeitsverhältnissen." Im Jobcenter Region Hannover sei es bisher weitgehend gelungen, dass niemand nach den zwei Jahren sachgrundloser Befristung gehen musste. Dafür gesorgt habe der hohe öffentliche Druck, den ver.di-Vertrauensleute mit medienwirksamen Aktionen aufgebaut haben. Lehmensiek weiß, dass mit solchen Aktionen auch in anderen Jobcentern der Republik Entfristungen erreicht werden konnten.

Den höchsten Anteil an Befristungen bundesweit hat das Jobcenter Deutsche Weinstraße mit rund 30 Prozent. Betroffen sind in dieser gemeinsamen Einrichtung vor allem Beschäftigte der beiden kommunalen Träger, des Landkreises Bad Dürkheim und der Stadt Neustadt an der Weinstraße. Die unsichere Situation veranlasse viele Beschäftigte, wie andernorts auch, zum Wechsel auf unbefristete Stellen in umliegenden Jobcentern und anderen Kommunen.

"Jeder Wechsel schwächt die Fachlichkeit und verlängert die Beratungszeit", beschreibt die Personalratsvorsitzende Sabine Bannert den Qualitätsverlust. Während die Bundesagentur für Arbeit und andernorts auch kommunale Träger im Laufe der Zeit Stellen entfristet haben, hätten sich die beiden hier beteiligten kommunalen Träger da herausgenommen. Befristungen seien unter der alten Geschäftsführerin Teil des Führungsstils im Haus gewesen, sagt Sabine Bannert und spricht von "hausgemachten Problemen". Sie geht davon aus, dass Klagen vor Arbeitsgerichten auf Festeinstellung Erfolg hätten, allerdings fehle vielen Beschäftigten bislang der Mut dazu.

Dass es auch ohne sachgrundlose Befristungen geht, zeigt das Jobcenter in Wiesbaden, eine Einrichtung in rein kommunaler Trägerschaft. Hier gibt es 186 Vollzeitstellen. Von den 22 befristeten Stellen wurden jetzt zwölf entfristet, die verbleibenden sind an befristete Projekte wie Perspektive 50plus zur Vermittlung älterer Arbeitsloser gebunden. "Wir stimmen nur Befristungen mit Sachgrund zu und sorgen dafür, dass sie so schnell wie möglich entfristet werden", sagt Margarete Unkhoff, die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats. Diese Linie werde auch vom Leiter des Wiesbadener Amtes für Soziale Arbeit, Franz Betz, unterstützt. "Etwas anderes als eine angemessene Personalsteuerung können wir uns nicht leisten. Sie entstresst und macht damit eine andere Haltung in der Arbeit möglich", sagt Unkhoff. So rede man im Jobcenter von Leistungsberechtigten und behandele sie auch entsprechend.