Gabriele Hahn

von Birgit Tragsdorf

Ein Traumtag in einer Kindereinrichtung würde für die Chemnitzer Erzieherin Gabriele Hahn so aussehen: Nach einer kleinen Spielrunde, bis alle Kinder eingetroffen sind, setzen sie sich zu einem Morgenkreis zusammen, reden miteinander, tauschen sich aus und entscheiden selbst, wie dieser Tag für sie ablaufen soll. Und dann gibt es genügend Personal, damit die Kinder an so einem Traumtag auch ihren ganz unterschiedlichen Interessen nachgehen können. Und weil sie gerade von Träumen spricht, fügt Gabriele Hahn hinzu: "Es wäre für uns sehr hilfreich, wenn wir einen halben Tag in der Woche Zeit für den Schreibkram hätten und den Kopf frei dafür."

Streiks in 14 Einrichtungen

Die Realität aber sieht anders aus. Damit sich an den Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung etwas ändert, eine gerechtere Eingruppierung und, damit verbunden, eine deutlich höhere Wertschätzung von Berufen im Sozial- und Erziehungsdienst möglich werden, gehen die Beschäftigten in diesen Berufen momentan auf die Straße. Mit Warnstreiks unterstützen sie ihre Gewerkschaft bei den Verhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern.

In Chemnitz beispielsweise haben sich in der ersten Runde Beschäftigte aus 14 Einrichtungen beteiligt, 130 Kolleg/innen folgten dem Streikaufruf. Für Gabriele Hahn ist das nicht unbedingt eine alltägliche Erfahrung. Aber die Erzieherin einer Kindertagesstätte am Chemnitzer Küchwald engagiert sich schon lange für einen gesellschaftlichen Diskurs über die Wertschätzung von sozialen Berufen und ist froh, dass nun diesen Fragen mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.

"Es gibt eine Menge Handlungsbedarf in den Einrichtungen. Der Personalschlüssel, in Sachsen ohnehin schon der schlechteste bundesweit, ist nur eine Größe auf dem Papier. Der Alltag sieht anders aus: Komplett ist das Personal nur selten da." Da kommt vieles zusammen, erläutert die Chemnitzer Erzieherin: Die hohen Belastungen im Beruf führen bei älteren Kolleginnen öfter zu krankheitsbedingten Ausfällen. Lange Zeit herrschte Arbeitsplatzabbau, junge Leute wurden nur selten eingestellt. Noch immer gibt es eine Zunahme von Teilzeitbeschäftigung. Junge Frauen fallen in der Schwangerschaft wegen Berufsunfähigkeit aus, ein Schutz vor den Folgen von Kinderkrankheiten. Die Folge: Mehrbelastung für die älteren Kolleginnen.

Die in ver.di und im DGB engagierte Gewerkschafterin möchte mehr erreichen. Mit den politischen Entscheidungsträgern in den Kommunen und auf Landesebene will sie diskutieren über deren Willen zur Finanzierung der Kinderbetreuung. Kein durch die Schuldenbremse verordnetes Umschaufeln von Geldern auf Kosten anderer Bereiche, auch nicht, dass die Eltern durch noch höhere Beiträge allein die Belastungen tragen. Zu Gaby Hahns Forderungen gehört eine Diskussion über den Status von Berufen, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden - wie etwa in Pflege und Erziehung. Und sie schließt sich den Forderungen nach einem einheitlichen bundesweiten Bildungsgesetz an.

Vieles hat sich verändert

Stefan Zierer, ver.di-Sekretär in Chemnitz, hat während der Streiktage viele Gespräche mit den Kolleg/innen geführt und sie auch über die Hintergründe der Aktionen informiert: "Es ist einfach höchste Zeit, dass sich etwas ändert. Die Tätigkeitsmerkmale sind seit 1991 unverändert. In der Praxis hat sich aber vieles verändert: Gestiegen ist die Zahl der schwierigen Kinder, der Kinder mit Auffälligkeiten im Verhalten, mit schlechten Sprachkenntnissen, die Zunahme der Kinder, die wenig oder gar nicht die deutsche Sprache beherrschen. Und es ist lauter in den Gruppen- und Klassenräumen - 80 Dezibel ist der tägliche Geräuschpegel."

Der Anspruch, frühkindliche Bildungsarbeit zu leisten, lässt sich nur erfüllen mit ausreichend und gut ausgebildetem Personal und verbesserten Rahmenbedingungen für die Arbeit mit Kindern. Anerkennung, Wertschätzung und eine angemessene Bezahlung - dafür stehen sie. Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen wird es ohne Streik nicht gehen.