Reicht das BAföG nicht, muss ein Studentenjob her

Anfang des Jahres haben Bund und Länder eine halbe Rolle rückwärts gemacht. Das Grundgesetz wurde geändert, das vor neun Jahren eingeführte Kooperationsverbot bei der Hochschulbildung gelockert. Nun darf die Bundesbildungsministerin hier wieder stärker mitmischen. Zu dem Gesetzespaket gehört auch, dass das BAföG jetzt komplett vom Bund bezahlt wird. Das entlastet die Landeshaushalte um 1,17 Milliarden Euro.

Die Studierenden haben aber ab dem Wintersemester 2016/17 mehr Geld im Portemonnaie: Wer nicht bei seinen Eltern lebt und den BAföG-Höchstsatz bezieht, wird dann 735 Euro monatlich aus der Bundeskasse überwiesen bekommen; gegenwärtig sind das 670 Euro. Da auch die Elternfreibeträge zum Herbst kommenden Jahres angehoben werden, erhalten vermutlich 110.000 junge Menschen mehr als bisher den staatlichen Bildungszuschuss. Gegenwärtig beziehen etwa 660.000 Lernende an Schulen und Hochschulen BAföG.

Viele Studierende sind jedoch enttäuscht, dass der Geldsegen so spät kommt. Seit fünf Jahren müssen sie mit dem gleichen Betrag auskommen, obwohl die Lebenshaltungskosten und vor allem die Mieten deutlich gestiegen sind. Dass die Erhöhung nicht parallel mit der Grundgesetzänderung zu Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist, liegt vor allem an Finanzminister Wolfgang Schäuble, CDU: Er pocht auf die schwarze Null im Bundeshaushalt. Auch mit anderen Verbesserungen beim BAföG hatte sich Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, CDU, gegen den Kassenwart nicht durchsetzen können. Kurz nach ihrem Amtsantritt hatte sie noch versprochen, die Altersgrenzen anzuheben. Doch die meisten Menschen, die nach einem Bachelorstudium und einigen Jahren im Beruf an die Universität zurückkehren, können auch künftig nicht mit staatlicher Hilfe rechnen.

Frühkindliche Bildung

An vielen Hochschulen wird ebenfalls wenig oder sogar gar nichts von der finanziellen Entlastung der Länder durch die neue BAföG-Regelung zu spüren sein. In den Verhandlungen hatten die Kultusminister durchgesetzt, dass sie mit den freiwerdenden Mitteln jegliche Bildung finanzieren können. Prompt kündigte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, SPD, an, das Geld vollständig in Kitas und frühkindliche Bildung zu stecken. Schleswig-Holstein plant, mit den zusätzlichen Millionen neue Lehrer zu finanzieren. Andere Kultusminister teilen die Mittel auf Schulen und Hochschulen auf. So kommen beispielsweise an der Universität Bremen nur drei Millionen Euro an, obwohl das Land bisher für die dort Studierenden einen Aufwand von acht Millionen Euro fürs BAföG hatte.

Seit Jahren sind die Hochschulen in Deutschland chronisch unterfinanziert - vor allem in der Lehre und im Normalbetrieb. Die Föderalismusreform von 2006 hatte die Lage massiv verschärft, weil sie dem Bund untersagte, sich an der Grundfinanzierung der akademischen Ausbildungsstätten zu beteiligen. Lediglich zeitlich befristete Programme wie die Exzellenzinitiative oder Großgeräte für die Forschung durfte das Bundesbildungsministerium spendieren. So bröckelt vielerorts die Bausubstanz, viele Seminare sind völlig überfüllt. Nirgendwo sonst arbeiten so viele Menschen befristet wie an den Hochschulen; nicht selten laufen die Verträge nur wenige Monate.

Viele Hochschulrektoren versuchten, der Misere durch Einwerben von Drittmitteln zu begegnen. Geisteswissenschaftliche Fächer, für die das wesentlich schwieriger ist als für technische und naturwissenschaftliche Fakultäten, wurden immer weiter abgehängt. Immerhin darf Bundesbildungsministerin Wanka nun seit Anfang des Jahres einige Milliarden Euro zusätzlich in Hochschulen pumpen, wenn davon Bereiche mit überregionaler Bedeutung profitieren. Sie hat zwar angekündigt, dass damit nicht nur Spitzenforschung gemeint sei, sondern auch kleinere Fächer oder Standorte mit Entwicklungspotenzial profitieren sollten. Doch tatsächlich sind die Gelder längst für die Hochschulprogramme verplant, die in den vergangenen Jahren begonnen wurden und ohne weitere Gelder aus Berlin bald auslaufen würden.

So geht die Flickschusterei und Erosion an vielen Hochschulen weiter. So schrumpft an der Hamburger Uni das Lehrangebot von Professor/innen bis zum kommenden Jahr um etwa fünf Prozent. Der Grund: Die winzige Budgetsteigerung sei viel zu gering, um die steigenden Kosten abzudecken.