Es wird gestreikt, bis die Post ihre Vorhaben zurücknimmt

Ein Auslieferungsfahrer in der Kurier-, Express- und Paketbranche bewegt täglich drei bis fünf Tonnen. Olaf Könemann liefert seit 15 Jahren Pakete aus - und das zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Könemann gehört zum Paketzentrum Altona. Jedes Paket fasst er mindestens dreimal am Tag an, beim Laden, beim Sortieren und beim Zustellen. "Das ist ein Job, den macht man mit Herzblut. Unsere Kunden wollen einen Zusteller, der um ihre Belange weiß. Denn sie wissen: Das ist die Deutsche Post AG, darauf kann ich mich verlassen." So war die Deutsche Post, muss man sagen: gelb, beständig und verlässlich. Viele der Paketzusteller/innen machen ihre Arbeit wie Olaf Könemann seit vielen Jahren. Und sie machen sie gern. Doch ausgerechnet bei ihnen will die Post jetzt sparen.

Der Onlinehandel boomt, die Zahl der versandten Päckchen und Pakete wächst. Und der Paketmarkt ist stark umkämpft. Dank des von ver.di und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten erstrittenen Mindestlohnes wurde gegen den Wettbewerb per Lohndumping eine für alle verbindliche Lohnuntergrenze eingezogen. Eigentlich ein Vorteil für den Branchenführer und Marktbestimmer DHL, der seine Arbeits- und Einkommensbedingungen über einen Haustarifvertrag regelt. Die Beschäftigten haben zudem tarifvertraglichen Schutz vor Outsourcing und Kündigungen.

Das Versprechen des Vorstandsvorsitzenden

Und trotz dieser guten tariflichen Regelungen konnte die Post ihre Position als Marktführer im Paketbereich weiter ausbauen. Aber da gibt es auch noch das Versprechen des Vorstandsvorsitzenden Frank Appel an seine Aktionäre, den ohnehin schon beträchtlichen Gewinn des Konzerns von drei Milliarden Euro auf fünf Milliarden hochzutreiben. Da dieses Vorhaben aus Appels Sicht mit simplen Einsparmaßnahmen und weiteren Umsatzzuwächsen nicht zu realisieren ist, wurde im Jahre 2013 eine Strategie zur Tarifflucht entwickelt. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden 49 regionale Töchter gegründet, die sogenannten DHL Delivery GmbHs. Dorthin schiebt die Post nun ihre befristet Beschäftigten ab. Mit der Fremdvergabe an Delivery hat die Post einen Vertrag gebrochen, der mit ver.di zuletzt 2011 erneuert wurde. Darin ist festgelegt, dass die Deutsche Post AG bundesweit nicht mehr alle 990 Zustellbezirke an Fremdfirmen vergeben darf. Dafür verzichteten die Beschäftigten auf Kurzpausen und arbeitsfreie Tage.

Paketdienstler Olaf Könemann (links) und Postler Hans-Ulrich Müller

Die ver.di-Tarifkommission bei der Post hat auf diesen Vertragsbruch hin den Tarifvertrag zum Thema Arbeitszeit gekündigt, um so handlungsfähig zu werden und den Beschäftigten das zurückzugeben, was sie seinerzeit für diesen Beschäftigungspakt gezahlt haben. Die Post behauptet, dass zirka 6000 Personen den Arbeitsvertrag von Delivery mit großem Zuspruch unterschrieben hätten. Verschwiegen wird jedoch, dass die befristet Beschäftigten keine Alternative dazu haben und bei Delivery mit bis zu 20 Prozent weniger Lohn im Jahr auskommen müssen als zuvor bei der Post AG.

"Für uns ist das ein ziemlicher Schock, weil sämtliche befristet Beschäftigten 'rüber gewechselt sind beziehungsweise wechseln mussten. Es ist eine ernst zu nehmende Bedrohung, weil jedes Mal, wenn jetzt ein Kollege ausscheidet, der Bezirk nicht durch hauseigene Kräfte der Post AG besetzt wird, sondern an die DHL Delivery vergeben wird", sagt Olaf Könemann. Absehbar sei, dass es irgendwann keine Post AG Beschäftigten mehr geben werde. "Und dagegen kämpfen wir. Die Kollegen sind wütend und streikbereit." Sie erkennen aber auch, dass sie sich um die neuen Kolleg/innen in der Billigtochter kümmern müssen. "Diese gilt es schnell zu organisieren, denn nur gemeinsam können wir uns wehren", sagt Könemann.

Die Beschäftigten wollen nicht einfach kürzer treten

Der Post scheint es nur noch darum zu gehen, ihren Aktionären zu höheren Gewinnen zu verhelfen - auf Kosten ihrer Beschäftigten. "Die Umsätze der Post AG sprudeln. Die Auftragslage ist so gut wie nie zuvor. Der Vorstand verspricht den Aktionären eine Gewinnsteigerung von jeweils acht Prozent in den nächsten fünf Jahren. Um dieses Versprechen halten zu können, sollen die Beschäftigten nun kürzer treten", sagt Könemanm.

Hans-Ulrich Müller, seit 34 Jahren bei der Post und seit 1995 im Paketzentrum in Allermöhe, ergänzt: "Ich finde das schon sehr traurig, dass es so weit gekommen ist. Unsere Leute sind gut, sie leisten gute Arbeit. Sie haben die Einstellung: Wir sind Postler, wir arbeiten für die Post und wir geben unser Bestes für die Post. Und jetzt werden wir im Grunde `beschissen`." Und deshalb streiken die Postler - bereits seit dem 1. April.

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