Für ihr Recht auf gleiche Bezahlung zieht Edeltraud Walla durch die Instanzen

Ein typisches Beispiel von Frauenbenachteiligung im Job - so viel scheint klar: Die Schreinermeisterin Edeltraud Walla leitet eine Werkstatt im Fachbereich Architektur der Universität Stuttgart. Ihr Kollege - Schreinergeselle, aber ohne Meisterbrief - leitet ebenfalls eine Werkstatt. Er verdient rund 1200 Euro mehr. Der Arbeitgeber gesteht zu, dass beide im Wesentlichen die gleichen Aufgaben erfüllen.

Eine typische Diskriminierung der Frau also? Nein, die Gerichte sehen das bisher anders. Mit ver.di-Rechtsschutz hat die Schreinermeisterin inzwischen Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der Fall schlägt Wellen in juristischen Fachkreisen. Zwei Dinge sind dabei nicht umstritten: Edeltraud Walla und ihr Kollege verrichten gleichwertige Tätigkeiten - und sie wird dafür deutlich schlechter entlohnt. Gestritten wird darüber, ob das Geschlecht dafür ausschlaggebend ist und ob frau das beweisen kann.

Bei der Arbeitsgerichtsbarkeit in drei Instanzen abgeblitzt

Das ist der Sachstand: Im Jahr 2009 richtet die Universität eine Zentralwerkstatt für Architektur ein. Den Teil "analoger Modellbau" leitet Edeltraud Walla, den Digitalbau der Kollege. Walla ist tariflich korrekt eingestuft, der Kollege dagegen wird übertariflich bezahlt. Ihr interner Versuch der Klärung ergibt, der Kollege habe früher höherwertige, künstlerische Aufgaben erfüllt. Diesen Besitzstand wolle ihm der Arbeitgeber nicht streitig machen. Die ungleiche Vergütung habe nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Dieser Argumentation folgen das Arbeitsgericht Stuttgart (Aktenzeichen 22 Ca 6784/12) und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (1 Sa 7/13), das auch keine Revision zulässt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung fällt beim Bundesarbeitsgericht durch (5 AZN 1308/13). So bleibt Edeltraud Walla nur noch der Weg einer Verfassungsbeschwerde. Der Frankfurter Fachanwalt Matthias Beckmann reicht sie im Auftrag von ver.di im Mai 2014 ein. Es geht um zwei Punkte: den Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, GG, und die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter - Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG - weil das BAG den Fall nicht dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat.

Juristische Klärung täte not

Noch ist nicht klar, ob das Bundesverfassungsgericht sich der Sache annimmt. Klärung täte Not, das zeigt die fachjuristische Auseinandersetzung zum Fall Walla. Diskutiert werden folgende Fragen: Wirkt das in der EU geltende "Grundrecht auf Entgeltgleichheit" direkt? Und: Was gibt das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, her, wenn es um konkrete Benachteiligung und um die Beweislast geht?

Das langwierige juristische Tauziehen ist das eine; das andere ist, als abhängig Beschäftigte über Jahre die tägliche Anspannung auszuhalten, die durch die Klagen gegen den Arbeitgeber entsteht. Edeltraud Walla hat dafür ihren eigenen Weg gefunden, als gewählte Beauftragte für Chancengleichheit des nichtwissenschaftlichen Personals an der Uni Stuttgart. "Als Werkstattleiterin bin ich zunehmend aufs Abstellgleis geschoben worden und habe mich intellektuell ausgehungert gefühlt", sagt sie. "Als Beauftragte für Chancengleichheit ist das anders: Im Amt bin ich relativ unabhängig und kann etwas bewegen."

Die Hälfte ihrer Arbeitszeit kümmert sie sich nun um die Belange von rund tausend Beschäftigten - unter ihnen sind viele, meist hochqualifizierte Frauen in den diversen Uni-Sekretariaten. Ohne Aufstiegsoptionen und schlecht bezahlt für das, was sie leisten, sagt Walla. "Sie übernehmen gern reizvolle Aufgaben, für die sie aber nicht vergütet werden. Das hat System."

Ob bei diesen Frauen oder im Fall der Schreinermeisterin: Es geht vordergründig um gleiches Geld in Euro und Cent. Dahinter aber steckt ein tiefer Konflikt mit dem Arbeitgeber um Wertschätzung: Wird mein Engagement anerkannt? Verdiene ich das, was meiner Leistung entspricht? Oder fühle ich mich als Frau ausgenutzt und/oder ausgegrenzt?

Frauen fahren viel zu lang auf der Harmonieschiene

Edeltraud Walla bezeichnet sich selbst als "Spätberufene", was Gegenwehr und politisches Engagement angeht: "Wir Frauen fahren viel zu lange auf der Harmonieschiene. Ich wünsche mir, dass auch andere Frauen keine Angst haben, sich zu wehren, wenn der Arbeitgeber trickst."

Wallas Unterstützung kann sich jede Frau sicher sein, die sich traut. Denn die Schreinermeisterin hat auf ihrem Weg durch die Instanzen erlebt, dass nicht nur der gewerkschaftliche Rechtsschutz entscheidend ist, sondern ebenso die laufende "Ermutigung und Rückenstärkung" der Kolleg/innen.

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