Ein langer Kampf für die Näherinnen Gewerkschafter Amirul Haque Amin aus Bangladesch erhält den internationalen Menschenrechtspreis

Johann Rösch, 63, war als ver.di-Gewerkschaftssekretär zuständig für den Textileinzelhandel und engagiert sich in seiner Altersteilzeit für das Projekt "exChains"

ver.di publik - Der internationale Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg wird seit 1995 alle zwei Jahre an Menschen vergeben, die sich zum Teil unter hohen persönlichen Risiken für die Menschenrechte einsetzen. In diesem Jahr geht er nach Bangladesch, an den Gewerkschafter Amirul Haque Amin. Eine gute Entscheidung?

Johann Rösch - Eine hervorragende! Bangladesch ist der zweitgrößte Textilproduzent der Welt, die Arbeits- und Lebensbedingungen müssen dringend verbessert werden. Gleichzeitig ist gewerkschaftliches Engagement dort nicht so wie bei uns durch gesellschaftliche und demokratische Strukturen geschützt. Im Gegenteil: Amin ist als Mitbegründer der Nationalen Gewerkschaft der Textilarbeiter immer wieder Anfeindungen ausgesetzt, wenn er sich für faire Bezahlung und sichere Arbeitsbedingungen für die Textilarbeiter einsetzt. Dafür wird er heftig attackiert, von der Regierung und den Unternehmen. Ihm nun diesen Preis zu verleihen, der auch über Deutschland hinaus große Beachtung findet, ist ein wichtiges Signal.

ver.di publik - Für das auch Sie sich eingesetzt haben?

Rösch - Ja, weil ich glaube, dass das Engagement von Amin wesentlich dazu beigetragen hat, dass es seit 2013 ein Abkommen über Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch gibt. Seitdem müssen die Unternehmen die Namen ihrer Lieferanten nennen, es gibt erstmalig eine Bestandsaufnahme der Branche. Unabhängige Inspektoren und nicht Firmenbeauftragte inspizieren die Produktionsstätten, Mängel müssen innerhalb einer festgelegten Zeit abgestellt werden. Amin hat es geschafft, sich dafür Verbündete zu suchen und Druck auf die Hersteller zu erzeugen. Natürlich haben auch große Unglücke wie die Brandkatastrophen vor einigen Jahren dazu geführt, dass sich endlich etwas ändert. Aber ohne Menschen wie Amin, die mit langem Atem kämpfen, wäre es nicht gegangen. Deshalb haben wir ihn für den Preis vorgeschlagen und in einem Exposé begründet, warum er der Richtige ist. Als die internationale Jury dann entschieden hat, dass Amin den Preis bekommt, war ich mehr als glücklich.

ver.di publik - Woher kennen Sie Amin?

Rösch - Ich war bei ver.di lange zuständig für den Textileinzelhandel. Gemeinsam mit dem internationalen Bildungswerk TIE habe ich Besuchsreisen von Beschäftigten von H&M, Zara, Metro und anderen nach China, Indien, Bangladesch, Sri Lanka und in die Türkei organisiert. So kam es dann auch zu dem Projekt "exChains", in dem ver.di mit Gewerkschaften aus Bangladesch, Indien und Sri Lanka für bessere Arbeitsbedingungen der Näherinnen kämpft. Amin tut das in Bangladesch, deshalb gab und gibt es immer wieder Austausch zwischen uns.

ver.di publik - Warum ist es sinnvoll, dass sich deutsche Betriebsräte Fabriken in Bangladesch ansehen?

Rösch - Weil sie die Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Kollegen dort kennenlernen. Bei "exChains" geht es uns um Beschäftigtenrechte entlang der gesamten Textilkette. Große Unternehmen wie Zara oder H&M lassen in Bangladesch produzieren und haben damit Verantwortung für die Arbeitsbedingungen dort. Wenn unsere zum Teil noch sehr jungen Betriebsräte die schrecklichen Bedingungen vor Ort mit eigenen Augen sehen, können sie ihr Management dann mit den Fakten konfrontieren und genau nachfragen, warum es nicht größeren Einfluss auf die Produktionsbedingungen nimmt. Dafür ist der direkte Austausch wichtig. Auch wenn man die schlimmen Bedingungen theoretisch kennt: Sie vor Ort zu erleben, das hat auch mich immer wieder geschockt.

Interview: Susanne Kailitz

Ohne Menschen wie Amin, die mit langem Atem kämpfen, wäre es nicht gegangen