Plötzlich sind sie da

Deutsche und das Fremde

Sie tranken mit den Irokesen Tee aus holländischen Tassen und bezahlten gleichzeitig für deren Biberfelle mit falschen Perlen. Die Deutschen. Genauer gesagt die Deutschen, die sich Anfang des 18. Jahrhunderts von der englischen Queen Anne anwerben ließen, nach Amerika auszuwandern. Sie hofften, dort ein Stück Land geschenkt zu bekommen, nicht mehr Arbeiter sein zu müssen, sondern Grundbesitzer zu werden. Aus wirtschaftlichen Gründen setzten sie über den Atlantik und fanden alles andere als das schnelle Glück und ein sorgloses Leben.

"Deutsche und das Fremde" nennt das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven seine neue, ab Dezember laufende Sonderausstellung. Sie stellt dem Leben der Deutschen in Amerika die Aufnahme der Türken in Deutschland in den 1960ern gegenüber. Letztere wurden angeworben, um das Wirtschaftswunder dieser Jahre zu bewältigen, aber auch ein bisschen in der Hoffnung, dass es nicht ende. Doch genauso wenig, wie es die damals ausgewanderten Deutschen ihren neuen Nachbarn, den Indianern, leicht machten, genauso wenig empfingen sie die sogenannten Gastarbeiter aus Anatolien mit offenen Armen. Dass sie hier dennoch heimisch wurden und trotz Rückkehrprämien ihre Familien nachholten, damit hatte niemand gerechnet. Viele Ausstellungsobjekte, zu denen nicht nur die Teetassen und falschen Perlen zählen, sondern unter anderem auch Glasflaschen, in denen die Deutschen den Irokesen den Alkohol andrehten, den diese nicht vertrugen, machen das Leben in Amerika anschaulich. Die Alltagsgegenstände werden ergänzt von Briefen und Petitionen, die das Hin- und Hergerissensein der Deutschen, ihre Hoffnungen und Enttäuschungen in Übersee dokumentieren. Viele filmische Dokumente wiederum zeigen auf, wie schwer sich die Deutschen mit der Sprache ihrer neuen türkischen Nachbarn taten, ihren Traditionen, ihrem Essen und ihren Gebräuchen - und oft wohl auch immer noch tun.

Selbst heute, nach rund 50 Jahren des Zusammenlebens, können sich Deutsche und Türken fremd sein. Nicht zuletzt deshalb und wegen der wirtschaftlichen Situation kehren immer mehr junge Deutsch-Türken ihrer deutschen Heimat den Rücken und versuchen ein Leben in der Türkei. Natürlich kann man in dieser Ausstellung auch die Gegenwart draußen vor der Tür nicht ausblenden. Menschen in Not aus anderen Kulturen flüchten nach Deutschland, und nicht wenige Deutsche meinen, sich vor ihnen schützen zu müssen. Das Auswandererhaus bietet jetzt eine gute Gelegenheit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Integration gelingen kann. Aus Fehlern kann man schließlich lernen. Petra Welzel

DEUTSCHES AUSWANDERERHAUS, COLUMBUSSTR. 65, BREMERHAVEN, 7. DEZEMBER 2015 BIS 31. MAI 2016, TÄGLICH 10-17 UHR, AB MÄRZ 10-18 UHR


Der Titel der Ausstellung im DASA in Dortmund ist ein wenig irreführend. Denn in dieser Ausstellung zur Arbeitswelt geht es nicht allein um Roboter, sondern grundsätzlich um das Verhältnis von Mensch und Maschine. Es ist ein Zug durch die technischen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte, vom Uhrwerk bis zur Roboter-Katze, die in Pflegeheimen als Kuscheltierersatz ihren Dienst leistet. Auf insgesamt 800 Quadratmetern gibt es einen Überblick darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine entwickelt und grundlegend verändert hat. Und um das auch selbst zu erleben, gibt es viele Möglichkeiten, vor allem die Roboter zu testen. Manche darf man lenken, mit einem kann man chatten, ein anderer zeichnet dem Besucher ein Bild und am Ende kann er sein eigenes Gesicht als Roboter generieren. Das eine oder andere Kind wird in der Ausstellung sein Tamagotchi wiedererkennen, es aber angesichts der herumstreichenden Roboter-Katze garantiert ziemlich uncool finden. Petra Welzel

DASA, FRIEDRICH-HENKEL-WEG 1-25, DORTMUND, 21. NOVEMBER 2015 BIS 25. SEPTEMBER 2016, MO-FR 9-17 UHR, SA/SO 10-18 UHR


The Botticelli Renaissance

Dass heutzutage ein Autobauer ausgerechnet seine Felgen nach dem Florentiner Renaissance-Maler Sandro Botticelli benennt, mag zunächst überraschen. Die Felge Botticelli III macht den Auftakt in dieser im wahren Wortsinn opulenten Schau. Klar, Autobauer werben gern mit halbbekleideten Frauen für ihre Wagen. Und Botticelli hat immerhin einige dieser Frauen im 15. Jahrhundert gemalt, die sich als Venus oder Primavera in eine Art kollektives Bildergedächtnis eingemeißelt haben. Kommt man aber schließlich in den letzten von vier großen Sälen zu den meisten Originalen des Malers, stellt man fest, dass viele seiner Gemälde so rund wie eine Felge sind. Der Autobauer beruft sich also gleich zweifach auf den berühmten Maler, auf das klassische Rundbild seiner Zeit und natürlich auch auf die wohlgeformten Kurven seiner Modelle. Botticelli hat mit ihnen ein Schönheitsideal geschaffen, das sich seit dem 18. Jahrhundert verselbstständigt, etliche Künstler und Künstlerinnen zu neuen Bilderideen gebracht, aber auch Modeschöpfer inspiriert hat. Rund 90 von diesen Werken sind jetzt in der Wiedergeburt Botticellis zu sehen und auch zu entdecken. Denn vor allem die Felge im Ausstellungsfoyer übersehen tatsächlich leider viele. Petra Welzel

GEMÄLDEGALERIE, MATTHÄIKIRCHPLATZ, BERLIN, BIS 24. JANUAR 2016, DI-SO 10-18 UHR, DO BIS 20 UHR