Ausgabe 02/2016
Im Jahr des Dialogs
Die sächsische Landeshauptstadt Dresden ist auf der Suche nach einem Miteinander. Kommunalpolitiker und das "Bündnis Dresden nazifrei" laden zum Diskurs
Albrecht von der Lieth, Sprecher des "Bündnisses Dresden nazifrei", will "den Protest zusammenführen"
Von Birgit Tragsdorf
Dresden braucht neue Impulse, und zwar nicht nur, um den rasanten Imageverlust zu stoppen. Es geht um das Leben, das Miteinander in einer Kommune, die von einer Spaltung der Gesellschaft geprägt ist. In der sächsischen Landeshauptstadt gibt es die Anhänger von Pegida, die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", die seit eineinhalb Jahren den montäglichen Aufrufen und fremdenfeindlichen Parolen folgen. Es gibt die Gegner von Pegida, die sich in verschiedenen Bündnissen und Protestbewegungen engagieren. Und es gibt den bürgerlichen und konservativen Teil der Bevölkerung, der sich aus allem heraushält. Der ist die Mehrheit.
Neue Bündnisse und Protestformen
Fakt ist: Pegida mobilisiert weiterhin seine Anhänger, um die 4.000 Menschen folgen im Schnitt den rassistischen Aufrufen und beeinflussen das Stimmungsbild in der Stadt und die Außenwirkung. Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat das Jahr 2016 zum Jahr des Dialogs erklärt und im Februar zu einer Bürgerkonferenz in die Kreuzkirche eingeladen. Das Bündnis "Dresden nazifrei" war im Januar Veranstalter einer Strategiekonferenz der Dresdner Zivilgesellschaft zum Thema Pegida. Man will die Gräben in der Stadt nicht tiefer werden lassen und eine grundsätzliche Neuausrichtung des gegen Pegida gerichteten Protestes finden. Eingeladen waren auch Tourismus- und Sozialverbände, das Technische Hilfswerk, Sportvereine, Verkehrsbetriebe, Hochschulen und Forschungseinrichtungen - die aber nicht kamen. Die Abendveranstaltung am 15. Januar und der Workshops am 16. Januar fanden jeweils das Interesse von rund 150 überwiegend jungen Menschen.
Der neue Pressesprecher von "Dresden nazifrei", Albrecht von der Lieth, erklärt sich die fehlende Beteiligung so: "Das bürgerliche und konservative Lager arbeitet nicht mit unserem Bündnis zusammen. Es gibt einen spürbaren Konflikt zwischen linkem und bürgerlichem Protest. Aber wir wollen die Proteste zusammenführen und die Teilung der Gesellschaft nicht weiter verschärfen." Das Bündnis, mehrfach für seine Aktivitäten ausgezeichnet, versteht sich als Netzwerk gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Unterstützt wird es von den Sozialdemokraten, den Linken und den Grünen, von Gewerkschaften und engagierten Bürger/innen. Die sächsische CDU hingegen lehnt eine Zusammenarbeit ab.
Der kleinste gemeinsame Nenner?
Dennoch hat das Bündnis mit der Konferenz eine umfangreiche Diskussion und Analyse ermöglicht. Themenschwerpunkte der Workshops waren Untersuchungen zu autoritärem Charakter, Fragen, wie man Nationalist wird, ob es eine neue deutschnationale Welle auf der Straße gibt und warum Pegida-Aufrufe bis in die bürgerliche Mitte hinein angenommen werden. Ebenso wurde die Sprache rund um das Thema Migration in den Massenmedien, deren Umgang mit Pegida und ihre Bedrohung durch Pegida betrachtet. Auch Fragen, wie die nach den besonderen sächsischen Verhältnissen, wurden diskutiert - und warum es heute noch schwer ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden bei Aktionen gegen den Fremdenhass.
Aufeinander zugehen, zuhören und durch Gespräche andere verstehen - das ist das Anliegen von Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert mit seinen Bürgergesprächen. Doch auch das Publikum in der gut besuchten Kreuzkirche spiegelte am 4. Februar die Spaltung der Stadt. Es wurde sachlich gefragt und erklärt, es wurde gebuht und verhöhnt, je nachdem, wer gerade das Wort ergriff. Als Hilbert feststellt, dass Pegida für die Probleme der Stadt und der Gesellschaft keine Lösungen biete, wird er lautstark ausgebuht und beschimpft. Die einen sehen Pegida und Fremdendfeindlichkeit zwar als Problem, die anderen machen dafür aber die Politik und ihre Akteure verantwortlich - wegen ihrer mangelnden Resonanz bei den Bürgern.
Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann, Die Linke, gab konkrete Informationen zur Situation der Flüchtlinge in Dresden. Im Februar lebten in der Stadt mit 500.000 Einwohnern ungefähr 5.000 Asylsuchende. 2015 kamen 4.100 Flüchtende in die Stadt: 25 Prozent von ihnen aus Syrien, 13 Prozent aus Afghanistan und jeweils neun Prozent aus Pakistan und dem Iran. Die Kosten für einen Asylsuchenden betragen im Vierteljahr 1.900 Euro. Dresdens Stadtverwaltung setze mehr und mehr auf dezentrale Unterbringung. 43 Sozialpädagogen arbeiteten mit den Flüchtlingen. Für die Stadt sei das eine Pflichtaufgabe, sagte Kaufmann. Ein gemeinsamer Nenner? Der war am Ende nur schwer zu finden.